Essen. 100.000 Überstunden haben NRW-Ordnungskräfte angehäuft, so die Gewerkschaft Komba. Weil die Belastung steigt, helfen auch private Dienste aus.
In Hagen hat man sich Hilfe geholt. Um den Beschäftigten des Ordnungsamtes nach einem Dreivierteljahr Corona-Kontrollen eine Pause zu ermöglichen, beauftragte die Stadt einen privaten Sicherheitsdienst zur Unterstützung. Er sollte die Präsenz erhöhen und etwa bei der Durchsetzung der Maskenpflicht helfen.
Maskenpflicht, Ausgangssperre – Ordnungsämter haben alle Hände voll zu tun
Vier Sicherheitskräfte begleiteten städtische Mitarbeiter, ordnungsbehördliche Befugnisse hatten sie nicht. Doch schon das hat offenbar für eine Verschnaufpause gesorgt: Die seit März 2020 andauernde Dauerbelastung einzelner städtischer Ordnungshüter sei leicht aufgefangen worden, sagte eine Sprecherin der Stadt. Die Zusammenarbeit habe sehr gut funktioniert.
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Ob Maskenpflicht, Kontaktbeschränkungen oder das Durchsetzen von Ausgangssperren wie zuletzt in Oberhausen und einem eingeschränkten Bewegungsradius für Gladbeck: Die Ordnungsämter haben in dieser Pandemie alle Hände voll zu tun. Seit dem Frühjahr setzen sie die sich oft kurzfristig ändernden Vorgaben durch, mit denen Bund, Land und die Kommunen die Ausbreitung des Coronavirus eindämmen wollen. (-> Lesen Sie hier: Gladbecker Ordnungsamtsleiter: „Corona hat alles verändert“)
Gewerkschaft: 100.000 Überstunden in NRW-Ordnungsämtern
Die Folge: Zahlreiche Überstunden, nicht genommene Urlaubstage und auch eine offenbar hohe psychische Belastung zeichnen den Alltag der Ordnungskräfte inzwischen aus. Allein in den kreisfreien NRW-Städten sollen die Beschäftigten in den ersten neun Monaten der Pandemie auf mehr als 100.000 Stunden Mehrarbeit gekommen sein, rechnet die Gewerkschaft Komba in NRW vor. In eine ähnliche Richtung gehen Angaben aus 85 vor allem kleineren gegenüber dem WDR: Sie kamen Ende Oktober auf mindestens 46.000 Überstunden. (-> Lesen Sie hier: Ausgangssperre in Oberhausen)
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Martin Nees, Gewerkschaftssekretär bei Verdi in NRW, spricht von einer sehr starken Belastung. „Die Zahl der Außendienste ist inzwischen am Limit, es geht alles auf die Straße, was kann“ sagt Nees. Beschäftigte arbeiten bis zu 48 Stunden in der Woche.
Um Engpässe aufzufangen, ziehen einige Städte Personal aus anderen Bereichen dazu oder nutzen wie Hagen private Sicherheitsdienste. In Gelsenkirchen etwa sind der gesamte Ordnungsdienst mit 45 Ordnungskräften und zehn weitere der Gewerbeabteilung im Kontrolleinsatz. Für zehn Wochen würden täglich sechs Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes das Ordnungsamt unterstützen. (-> Lesen Sie hier: Bußgeld nur bei Maskenkontrollen in Duisburg)
Ordnungsamt Gladbeck stellt andere Aufgaben hinten an
Längst wird in den Ämtern priorisiert. Alles, was nicht unbedingt sein muss, wird zurückgestellt, heißt es aus Kommunen. In Gladbeck wird allgemeinen Beschwerden derzeit seltener nachgegangen. Der Verkehrsbereich würde ebenso seltener kontrolliert, sagte ein Stadtsprecher. „Alle anderen Aufgaben, die das Ordnungsamt hat, stehen momentan ebenfalls etwas hinten an." (-> Lesen Sie hier: Gladbecker Ordnungsamtsleiter: „Corona hat alles verändert“)
Anders in Duisburg: Hier gebe es keine Aufgaben, die coronabedingt unterlassen würden, versicherte eine Sprecherin. Allerdings würden wohl nicht zuletzt wegen der Einschränkungen im Lockdown weniger Gaststätten-, Tierhaltungs- und Jugendschutzkontrollen durchgeführt.
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Der Städte- und Gemeindebund NRW forderte unlängst, Bund und Länder müssten die Ordnungsämter so unterstützen wie die Gesundheitsämter: mit umgerechnet 200 Millionen Euro jährlich in NRW. Auch die Gewerkschaften fordern Abhilfe: Komba-Chef Andreas Hemsing ärgert sich, in der Pandemie seien Bereiche außerhalb des Gesundheitswesens nicht genug im Blick genommen worden. „Es wurde völlig zu Recht viel über die Belastung in der Pflege gesprochen, aber andere Bereiche sind aus dem Fokus geraten.“
Bundes- und Landespolizei unterstützt Ordnungskräfte
Noch 2020 hatten Bund und Länder vereinbart, dass die Metropolen ihre Ordnungsämter entlasten sollen. Bundes- und Landespolizei sollten helfen. In NRW ist die Zusammenarbeit von Polizei und Ordnungsämtern eingeübt. Es gebe kaum eine Stadt, in der Sicherheitsbehörden nicht eng zusammenarbeiteten, unterstreicht die NRW-Polizeigewerkschaft GdP. "Das ist geübte Praxis", sagt Landeschef Michael Mertens. Die Polizei unterstütze etwa, indem gemeinsame Streifen gelaufen würden.
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Es gebe aber Regeln, die nicht durchzusetzen seien. Dazu gehöre die 15-Kilometer-Bewegungsbeschränkung, die für den Kreis Recklinghausen gilt. „Es gibt zu viele Ausnahmen und jeder Kontrollierende müsste immer genau wissen, in welcher Stadt gerade der Bewegungsradius eingeschränkt wird“, sagt Mertens. (->Lesen Sie hier: Das bedeutet die 15-Kilometer-Regel für Gladbeck)
Bei der Polizei verlagert die Pandemie die Arbeitsbelastung zwar, von deutlich mehr Überstunden weiß die Gewerkschaft aber nicht zu berichten. Aufgaben, die die Polizeien massiv personell gefordert hatten, seien weggefallen – darunter die Begleitung von Hochrisikospielen im Fußball. Umso länger und härter der Lockdown jedoch dauere, schwinde die Akzeptanz in der Bevölkerung für getroffene Maßnahmen, befürchtet die GdP. Die Arbeit der Polizei werde somit nicht einfacher. (-> Lesen Sie hier: Polizei löst illegale Party am Baldeneysee in Essen auf)