Berlin. . Die französische Regierung hat einen provokanten Vorschlag für ein deutsches 50-Milliarden-Konjunkturprogramm vorgelegt. Die Bundesregierung lehnt das ab und will vor allem private Investitionen stärken.
Die Absage an die französischen Gäste war deutlich: Strohfeuerprogramme für die Konjunktur werde die Bundesregierung nicht auflegen, stellte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) gestern nach einem deutsch-französischen Ministertreffen in Berlin klar. Es bringe auch nichts, den jeweils anderen in Europa schlecht zu reden – auf Schulmeisterei werde besser verzichtet.
Die Klarstellung in Anwesenheit der französischen Minister für Wirtschaft, Emmanuel Macron, und für Finanzen, Michel Sapin, hatte ihren Grund: Kurz vor ihrem Treffen mit Gabriel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatten die beiden Minister die Bundesregierung ungewohnt deutlich aufgefordert, ein deutsches 50-Milliarden-Investitionspaket zugunsten der Konjunktur aufzulegen, was nur mit neuen Schulden finanzierbar wäre: „50 Milliarden Euro Einsparungen bei uns und 50 Milliarden zusätzliche Investitionen bei Ihnen – das wäre ein gutes Gleichgewicht“, sagte Macron der FAZ. Eine gezielte Provokation.
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Die Bundesregierung war verwundert, die Union verärgert: Frankreich solle lieber die EU-Haushaltsregeln einhalten, statt Ratschläge zu geben, hieß es in der Unionsfraktion. Denn klar ist: Der Druck auf die Koalition wächst, ihr Ziel eines ab 2015 ausgeglichenen Haushaltes zugunsten stärkerer Investitionen aufzugeben.
Der tiefe Riss ist unübersehbar
Dabei hatte das Treffen in Berlin ein Signal der deutsch-französischen Geschlossenheit senden sollen. Gemeinsam wollen beide Länder Anfang Dezember Vorschläge machen, wie Investitionen gestärkt werden können. Doch haben Berlin und Paris völlig unterschiedliche Vorstellungen, der tiefe Riss ist nicht zu übersehen. Der Streit um den richtigen Haushaltskurs ist nicht nur für beide Regierungen, sondern auch für die EU heikel.
Frankreich hat gerade seinen Offenbarungseid als kranker Mann Europas leisten müssen: Gegenüber der EU-Kommission räumte Paris ein, dass es seine von der EU großzügig verlängerten Schuldenziele abermals nicht wird einhalten können. Das Haushaltsdefizit wird 2015 nicht wie verlangt bei höchstens drei Prozent der Wirtschaftsleistung liegen, sondern bei 4,3.
Paris fordert zwei weitere Jahre Aufschub. Die eigenmächtige Regelauslegung kann die EU-Kommission kaum dulden. Sie könnte die Haushaltspläne ablehnen, ein Defizitverfahren einleiten, an dessen Ende Paris sogar Strafzahlungen drohen. Der mühsam von Merkel durchgesetzte erneuerte Stabilitätspakt steht in Frage. Aber andererseits will Berlin den zuletzt wieder stärkeren Schulterschluss mit Frankreich nicht gefährden.
Gesucht wird jetzt nach einem Ausweg: Frankreich könnte sich nach bisherigen Überlegungen gegenüber der EU vertraglich und detailliert zu Strukturreformen etwa in der Sozialversicherung verpflichtet und dafür von der Kommission mehr Zeit für die Haushaltssanierung bekommen.
Doch den Eindruck eines Entgegenkommens will Frankreich nicht gelten lassen, stattdessen sieht es Deutschland jetzt in der Pflicht zu einem Kurswechsel. Dass die Bundesregierung etwas tun muss, wird auch in Berlin nicht mehr bestritten – aber am Ziel eines Haushalts ohne neue Schulden ab 2015 soll dennoch mit aller Kraft festgehalten werden.
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Gabriel und Schäuble lassen bereits prüfen, wie die Konjunktur ohne große Kosten angekurbelt werden könnte. Dabei geht es aber fast nur um private Investitionen: So lässt Schäuble eine steuerliche Förderung von Investitionen in die Forschung vorbereiten und denkt an Vergünstigungen für Wagniskapital. In Gabriels Ministerium wird ausgelotet, mit welchen steuerlichen Anreizen etwa energiesparende Investitionen in Gebäude oder Autos gefördert werden könnten. Als Signal an Frankreich schließlich soll eine gemeinsame Ökonomen-Arbeitsgruppe bis Mitte November Vorschläge vorlegen, wie in beiden Ländern mehr Wachstum befördert werden kann.
Doch ob das alles reicht, die Abwärtsentwicklung zu stoppen, ist ungewiss. So dürfte der französische Vorstoß auch die innenpolitische Debatte über Konjunkturprogramme befeuern – vor allem in der SPD.