Köln. Die nordrhein-westfälische SPD verliert immer weiter Mitglieder. Vor allem Frauen und junge Leute sind rar. Mit dem Problem befasst sich am Samstag ein Parteitag in Köln. Er hat Ministerpräsidentin Hannelore Kraft als Parteichefin mit 95,2 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt.

Ihre Rede ist nach einer guten halben Stunde schon fast vorbei, als Hannelore Kraft doch noch auf die "Funkloch-Affäre" reagiert. Der Vorwurf der "Lüge", der von der CDU erhoben wird und seit Wochen durch die Medien geistert, hat bei ihr Eindruck hinterlassen. Die SPD-Landeschefin wehrt sich, wirft der Opposition vor, sie wolle den Vorgang "skandalisieren". Dann lässt sie noch ein Bekenntnis in eigener Sache folgen: "Ich werde so bleiben wie ich bin, ich werde mich nicht verbiegen lassen."

Dass Kraft Ende Juli während des verheerenden Unwetters in Münster mit einem Boot über brandenburgische Gewässer schipperte und sich anschließend in Widersprüche über ihre schlechte Erreichbarkeit am Handy verstrickte, schlachtet der politische Gegner seither mit einigem Erfolg aus.

Landeschefin erhält bei Wiederwahl 95,2 Prozent der Stimmen

Beim Landesparteitag in Köln springt SPD-Fraktionschef Norbert Römer in die Bresche und attackiert die CDU. "Wer unsere Ministerpräsidentin auf so erbärmliche Weise angreift", ruft er, "der bekommt es mit der ganzen SPD zu tun." Die 443 Delegierten verstehen die Botschaft und geben sich keine Blöße. Sie wählen Kraft mit 95,2 Prozent für zwei weitere Jahre zur Vorsitzenden.

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Die 53-jährige, die seit sieben Jahren an der Spitze der NRW-SPD steht, räumt in ihrer Rede weitere Kritikpunkte der jüngsten Vergangenheit ab. Auf den Vorwurf der Amtsmüdigkeit geht sie nur ganz kurz ein: "Alles Quatsch!" Auch die von CDU und FDP verbreitete These, NRW habe seit Krafts Absage an alle Karriereambitionen fürs Kanzleramt ("nie, nie") in der Hauptstadt an Einfluss verloren, kontert die Regierungschefin: "Unsere Durchschlagskraft in Berlin bleibt bestehen."

Kraft will "dieses Land nicht kaputtsparen"

Die zarte Hoffnung, sie werde neue Vorschläge machen, um der SPD den Weg aus der prekären Finanzlage des Landes zu weisen, erfüllt sie nicht andeutungsweise. Zwar erneuert Kraft ihr Bekenntnis zur Schuldenbremse, sie warnt aber gleichzeitig: "Wir dürfen dieses Land nicht kaputtsparen." Rot-Grün werde beim "Dreiklang" aus Sparmaßnahmen, Investitionen und höheren Einnahmen bleiben.

Unter viel Beifall verlangt sie für NRW einen "gerechten Anteil" an Fördermitteln des Bundes. Kraft: "Wir wollen mehr von dem haben, was die Bürger in diesem Land hart erarbeiten." Mit ihrer Politik für Bildung und Prävention, für die das Land mehr als jeden dritten Euro in seinem 62-Milliarden-Euro-Etat ausgibt, reklamiert Kraft erstmals eine bundesweite Vorreiterrolle.

Römer wirft Laschet vor, er mache die AfD "hoffähig"

Besonders laut wird der Applaus, als sie die "Murks-Maut" ablehnt. Der Rest der Rede ist Routine. Aufhorchen lässt Kraft nur noch, dass sie fast in Rau-Manier das Gemeinschaftsgefühl an Rhein und Ruhr beschwört und die Landesmutter gibt: "Bei uns ist das Wir zuhause." Ihr Lob für Heimat und "offene Menschen" verbindet sie mit einer Kampfansage an Extremismus und Terrorismus.

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Von Theo Schumacher

Die Angriffe auf Armin Laschet überlässt sie Römer, der dem CDU-Landeschef vorwirft, er mache die AfD "hoffähig". Dass Laschet mit Bernd Lucke als dem Vorsitzenden einer "ausländerfeindlichen, chauvinistischen und antieuropäischen" Partei ein gemeinsames Interview gegeben habe, nennt Römer einen "atemberaubenden Skandal". Laschet sei ein "Opportunist erster Güte": Er "hüpft mal hierhin, mal dahin und jetzt hüpft er zur AfD."

Das beste Ergebnis bei den Wahlen zum Vize-Parteivorsitz erzielt auf Anhieb die Gütersloherin Elvan Korkmaz mit 90 Prozent. Im Amt bestätigt wurden außerdem Marc Herter (Hamm), Britta Altenkamp (Essen) und Jochen Ott. Generalsekretär der Landes-SPD bleibt Andre Stinka, Schatzmeister Norbert Römer.