Brüssel/Donezk. Die EU gibt Russland eine Woche Zeit, um sich aus der Ostukraine zurückzuziehen. Die EU-Kommission soll verschärfte Sanktionen vorbereiten, sollte Moskau bis dahin nicht einlenken. Unterdessen haben prorussische Separatisten in Donetzk 223 ukrainische Soldaten freigelassen.

Die prorussischen Separatisten in der Ostukraine haben nach eigener Darstellung mehr als 200 Angehörige der Regierungstruppen aus ihrer Gewalt entlassen. Die Gefangenen im Gebiet Donezk seien der ukrainischen Seite übergeben worden, teilte die von den militanten Kräften gegründete "Armee Noworossija" (Neurussland) am Sonntag mit. Es handele sich um 223 Soldaten sowie Angehörige der Nationalgarde. Eine Bestätigung der ukrainischen Regierung für die Freilassung gab es zunächst nicht. Die Separatisten teilten mit, dass noch immer an mehreren Orten in dem Konfliktgebiet Stellungen ukrainischer Soldaten umzingelt seien.

In der Ortschaft Starobeschewo hätten Angehörige der Nationalgarde versucht, mit Waffen und Technik aus einem Kessel auszubrechen. Bei den Gefechten sei Militärtechnik zerstört worden. Zudem seien sechs Panzer erbeutet und fast 200 Angehörige der Regierungstruppen entwaffnet worden, hieß es. Sie würden als Kriegsgefangene festgehalten. Bei Kämpfen auch an anderen Stellen habe es zahlreiche Tote und Verletzte gegeben.

EU-Kommission bereitet verschärfte Sanktionen vor

Die EU gibt Russland noch maximal eine Woche Zeit, um sich aus dem blutigen Konflikt in der Ostukraine zurückzuziehen. Die EU-Kommission soll derweil verschärfte Sanktionen vorbereiten, sollte Moskau bis dahin nicht einlenken.

Wegen seiner immer offensichtlicheren Einmischung in den Konflikt in der Ostukraine muss Russland mit verschärften Wirtschaftssanktionen der EU rechnen. Innerhalb einer Woche will die Europäische Union über weitere Sanktionen entscheiden. Die EU-Kommission solle dazu Vorschläge machen, sagte EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy am frühen Sonntagmorgen nach Abschluss des EU-Gipfels in Brüssel. "Jedem ist völlig klar, dass wir rasch handeln müssen." In der Ukraine sind nach Einschätzung von Präsident Petro Poroschenko inzwischen "Tausende ausländische Soldaten und Hunderte ausländische Panzer" im Einsatz.

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Poroschenko warnte vor irreparablen Schäden durch den Konflikt im Osten seines Landes. "Ich denke, dass wir sehr kurz vor einem Punkt ohne Wiederkehr stehen", sagte er am Samstag in Brüssel nach einem Treffen mit den Staats- und Regierungschefs der EU-Länder. "Der Punkt ohne Wiederkehr ist völliger Krieg. Auf dem von den Separatisten kontrollierten (ukrainischen) Gebiet ist dies schon geschehen."

Die Union sei bereit, im Lic ht der Entwicklung in der Ukraine weitere "bedeutsame Schritte" auf den Weg zu bringen, sagte Van Rompuy, ohne ins Detail zu gehen. Die EU hat bereits Wirtschaftssanktionen verhängt. Ende Juli erschwerte sie unter anderem den Zugang russischer Banken zu den EU-Finanzmärkten und untersagte bestimmte Hochtechnologie-Exporte. Die Bereiche der bisherigen Sanktionen sollen unverändert bleiben. Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte Finanz-Sanktionen ebenso wie den Energiesektor.

Westen wirft Russland Truppeneinzug vor

Der Westen wirft Russland vor, reguläre Truppen in die Ukraine geschickt zu haben. Der britische Premier David Cameron sagte: "Es ist völlig unakzeptabel, dass sich russische Soldaten auf ukrainischem Boden befinden."

Van Rompuy sagte, Beratungen über die Sanktionen würden zu Wochenbeginn starten. Es gebe keinen Automatismus. Über neue Sanktionen müssten entweder der EU-Ministerrat oder die ständigen EU-Botschafter der 28 Mitgliedstaaten entscheiden.

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Die USA lobten die Bereitschaft der EU zu neuen Sanktionen. Die US-Regierung begrüße es, dass die EU gemeinsam "starke Unterstützung für die Souveränität und territoriale Souveränität" der Ukraine zeige und zusätzliche Strafmaßnahmen gegen Moskau vorbereite, erklärte die Sprecherin des nationalen Sicherheitsrates, Caitlin Hayden, am Samstag in Washington. Die USA arbeiteten eng mit der EU und anderen Partnern zusammen, um Russland wegen dessen "illegaler Aktionen" in der Ukraine zur Rechenschaft zu ziehen.

Poroschenkos Bitte um Waffenlieferungen wurde von deutscher Seite abgeschlagen. Dadurch würde der falsche Eindruck entstehen, der Konflikt könne militärisch gelöst werden, sagte Kanzlerin Merkel. "Deutschland wird jedenfalls keine Waffen liefern." Merkel räumte aber Meinungsunterschiede in diesem Punkt ein. "Ich kann hier nicht für alle sprechen", sagte sie.

Auch Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen schloss Waffenlieferungen an die Ukraine wie auch militärische Gegenmaßnahmen zu der Einmischung Russlands aus. "Die Bewährungsprobe für den Westen besteht darin, mit Diplomatie und wirtschaftlichem Druck Russland zum Einlenken zu bewegen", sagte sie der "Bild am Sonntag".

Eingekesselte Soldaten durften zurück

In Ilowaisk im umkämpften Gebiet Donezk ließen Separatisten am Samstag Dutzende eingekesselte ukrainische Soldaten frei. Sie kehrten über spezielle Korridore zu ihren Lagern zurück, wie Innenminister Arsen Awakow mitteilte. Die Separatisten berichteten, es seien Hunderte Soldaten gewesen.

Der polnische Präsident Bronisaw Komorowski warnte vor einem neuen russischen "Imperium" und vor einer Appeasement-Politik gegenüber Moskau. Es dürften nicht die Fehler der 1930er Jahre wiederholt werden, als man Hitler nachgegeben habe, sagte er im Deutschlandradio Kultur und im Deutschlandfunk. (dpa)