Frankfurt/Essen. Sein Ausflug in die Wirtschaft hat ein jähes Ende gefunden. Wie der Baukonzern Bilfinger am Montag mitteilte, soll der frühere hessische Ministerpräsident Koch zum 8. August ausscheiden. Andere Ex-Politiker halten sich erfolgreicher in den Top-Etagen deutscher Unternehmen. Eine Übersicht.
Berater, Aufsichtsrat, Verbandslobbyist: Etliche Spitzenpolitiker zieht es in die Wirtschaft. Den Sprung ins Tagesgeschäft eines Unternehmens wagen jedoch nur wenige. In Topjobs an der Firmenspitze sind Ex-Politiker noch seltener zu finden - eine der Ausnahmen war Roland Koch. Der frühere hessische Ministerpräsident saß drei Jahre auf dem Chefsessel des Bau- und Dienstleistungskonzerns Bilfinger.
In Vorstandsetagen oder auf Geschäftsführerposten landeten auch:
Lothar Späth - Jenoptik und Investmentbank Merrill Lynch
Nach einer Affäre um offizielle, halboffizielle und private Reisen auf Kosten der Wirtschaft schaffte der damals dienstälteste Ministerpräsident Deutschlands (Baden-Württemberg, 1978-1991) eine zweite Karriere bei Jenoptik. Bis 2003 leitete der heute 76-Jährige das Unternehmen und brachte es aus konkursreifen Teilen des DDR Zeiss-Kombinates zur Börsenreife.
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Bis 2007 war Späth im Aufsichtsrat und sah seine "Mission in Jena erfüllt". Ab 2005 wurde er im Alter von 67 Jahren für fünf Jahre Deutschland-Geschäftsführer der Investmentbank Merrill Lynch.
Bodo Hombach - WAZ-Mediengruppe
Der gelernte Fernmeldehandwerker wurde über eine Gewerkschaftskarriere zunächst Landtagsmitglied in NRW und kurzzeitig NRW-Wirtschaftsminister. 1998 wurde er Chef des Bundeskanzleramtes, wechselte aber schon ein Jahr später als Balkan-Beauftragter nach Brüssel. Anfang 2002 übernahm Hombach als Geschäftsführer der WAZ-Mediengruppe einen Spitzenjob in der Verlagswirtschaft, den er rund zehn Jahre erfolgreich ausübte. 2012 schied er nach einem Wechsel der Eigentümerverhältnisse aus.
Werner Müller - RAG
Er ist sozusagen Doppelwechsler: Der ehemalige Energiemanager bei RWE und Veba wurde 1998 überraschend Bundeswirtschaftsminister und verhandelte erfolgreich den Atomausstieg. Schon 2002 schied Müller aber wieder aus der Politik aus und übernahm 2003 den Chefposten bei der RAG - damals noch ein Riesenkonzern mit rund 100.000 Beschäftigten.
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Er baute die RAG komplett um, verkaufte oder schloss zahlreiche Teilunternehmen und stellte die Weichen für den sozialverträglichen Kohleausstieg und die Gründung des RAG-Folgekonzerns Evonik.
Alfred Tacke - Steag
Er war Wirtschafts-Staatssekretär erst in Niedersachsen und dann ab 1998 in der Bundesregierung unter Bundeswirtschaftsminister Werner Müller. 2005 wechselte Tacke als Chef des Steinkohleverstromers Steag in die Wirtschaft (bis 2008) und folgte damit seinem Ex-Chef Müller, der inzwischen den Steag-Mutterkonzern RAG (ab 2007 Evonik) leitete.
Friedrich Bohl - Deutsche Vermögensberatung
Als Helmut Kohls Kanzleramtsminister zog der CDU-Politiker von 1991 bis zum Machtverlust von Union und FDP 1998 im Hintergrund Fäden. Dann ging der Jurist zur Deutschen Vermögensberatung (DVAG), war dort zunächst Generalbevollmächtigter, später Vorstandsmitglied und führt seit April 2009 den Aufsichtsrat des Finanzvertriebs. Bohls Verwurzelung in Oberhessen zahlte sich aus: Marburg war auch zweite Heimat von DVAG-Gründer Reinfried Pohl. Die enge CDU-Connection des DVAG-Patriarchen brachte die DVAG Ende der 1990er Jahre in den Verdacht, mit größeren Parteispenden einen Gesetzentwurf gegen umstrittene Praktiken von Finanzvermittlern verhindert zu haben. Das Unternehmen wies das zurück.
Silke Lautenschläger - Krankenversicherung DKV
Hessens langjährige CDU-Gesundheitsministerin (2001-2009) und spätere Umweltministerin (2009/2010) wechselte in die Versicherungsbranche: Seit Januar 2011 ist die Juristin aus dem Odenwald Vorstandsmitglied der zur Ergo-Versicherungsgruppe gehörenden privaten Krankenversicherung DKV.
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Dort ist Lautenschläger aktuell zuständig für den Kunden- und Vertriebsservice. Außerdem sitzt sie im Vorstand der Ergo-Gruppe und weiterer Ergo-Gesellschaften. Als Lautenschläger ihren Seitenwechsel im Herbst 2010 öffentlich machte, hagelte es Kritik von der Opposition.
Dieter Althaus - Autozulieferer Magna
Fünf Monate nach dem Verlust der absoluten Mehrheit bei der Landtagswahl im September 2009 und seinem Rücktritt wechselte Thüringens Ex-Ministerpräsident in die Wirtschaft. Der einst starke Mann der Ost-CDU ging zum kanadisch-österreichischen Magna-Konzern, wo er auch heute noch tätig ist. Der Wechsel hatte für Kritik gesorgt, weil der Autozulieferer während der Opel-Krise zeitweise zu den Interessenten für den Autobauer gehörte. Althaus war als Regierungschef eines Opel-Landes - in Eisenach fertigt der Rüsselsheimer Autobauer Kleinwagen - in die Verhandlungen um die Zukunft von Opel eingebunden. (dpa)