Essen. . Der Vorstandschef der RAG-Stiftung, Werner Müller, hat einen „Solidarpakt West“ gefordert. Das Ruhrgebiet biete zwar Kultur und große Arbeitgeber, trotzdem fehle es der Region an Attraktivität, sagte Müller beim „Zukunftsforum“. Der Kongress befasste sich mit der Zeit nach dem Ende des Bergbaus.

Schon einmal hat die RAG zu einem „Zukunftsforum“ eingeladen. 2006 war das – unter der Überschrift „Keep Coal“. Ging es seinerzeit noch darum, die Kohleförderung zu erhalten, drehte sich das Zukunftsforum 2014 um die Zeit ohne Zechen im Ruhrgebiet. In viereinhalb Jahren soll auch das letzte Steinkohlenbergwerk im Revier den Betrieb einstellen. „Ende 2018 geht ein großes Kapitel deutscher Industriegeschichte zu Ende“, sagte Werner Müller, der Vorstandsvorsitzende der RAG-Stiftung, zu Beginn des Kongresses auf dem Gelände von Zeche Zollverein in Essen.

Aufgabe der Stiftung ist es, ab 2019 die sogenannten Ewigkeitsaufgaben nach Ende des Bergbaus zu finanzieren. Auch nach dem Aus für die Zechen muss Grubenwasser gepumpt werden, um eine Vermischung mit dem Trinkwasser zu verhindern – und „damit die Menschen trockenen Fußes zur Arbeit kommen“, wie Müller sagte. Doch es soll nicht beim Pumpen von Grubenwasser bleiben. Weitere Aufgaben der Stiftung seien, das industriekulturelle Erbe zu bewahren und die Attraktivität des Ruhrgebiets zu steigern.

In diesem Zusammenhang forderte Müller einen „Solidarpakt West“ – analog zum Aufbau der Infrastruktur in den ostdeutschen Bundesländern nach der Vereinigung. Das Ruhrgebiet biete zwar viel Kultur und große Arbeitgeber, sagte der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Müller, trotzdem fehle es in der Region an Attraktivität: „Man muss schon die richtige Autobahnausfahrt nehmen, um nicht zu erschrecken.“ Das Gelände um das Weltkulturerbe Zeche Zollverein sei ein Symbol für den Wandel in der Region. „Wo früher schwere Maschinen dampften, rauchen heute kreative Köpfe.“

Geld für Industriedenkmäler, Museen und Chöre

Es könne ja nicht sein, dass Industriedenkmäler geopfert oder Museen und Chöre geschlossen werden. „Wenn wir doppelt so viel einnehmen, wie wir ausgeben, können wir für Kunst und Kultur 30, 40 oder 50 Millionen ausgeben und noch dazu 100 Millionen Euro auf die hohe Kante legen“, rechnete Müller vor. Die Stiftung finanziert sich unter anderem durch eine Mehrheitsbeteiligung am Essener Chemiekonzern Evonik. Künftig will die Stiftung auch verstärkt in mittelständische Unternehmen investieren.

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Ausgehend vom Ruhrgebiet seien es Kohle und Stahl gewesen, die Deutschland nach dem Krieg wieder auf die Beine geholfen haben. Der Steinkohlenbergbau hinterlasse in Zukunft „weit weniger Lasten, als er an Reichtum geschaffen hat“, sagte Müller. Dafür „schulde die Gesellschaft den Bergleuten dauernde Dankbarkeit“. Er fügte hinzu: „Es wäre für Deutschland ganz gut, wenn die Energiewende halbwegs so gut geplant gewesen wäre wie das Ende des Bergbaus.“ Das RAG-Stiftungsmodell sei seinerzeit aus der bewährten Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmervertretern heraus entstanden, die Politik habe es letztlich umgesetzt.

"Aus Düsseldorf nicht herausgekommen"

Auch das Zukunftsforum litt unter den Folgen des Unwetters. Kurzfristig sagte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) ab. Er sei „aus Düsseldorf nicht herausgekommen“, sagte Müller. NRW-Verkehrsminister Michael Groschek (SPD) sei bei Mülheim-Heimaterde vom Stau gestoppt worden. Der saarländischen Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) jedenfalls gelang es, beinahe pünktlich vor Ort zu sein. „Manchmal muss man auch Saarländerin sein, um den Weg von Düsseldorf nach Essen zu schaffen“, kommentierte sie spitz.

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Ziel des Kongresses sollte es sein, die Bewältigung des Strukturwandels an der Ruhr auch in einen internationalen Kontext einzubetten. Doch wichtige Akteure, die diese Aufgabe übernehmen sollten, fehlten. Weder der ursprünglich angekündigte Star-Soziologe Richard Sennett noch der renommierte Architekt Rem Koolhaas waren mit von der Partie. Stattdessen referierte der schwedische Nachhaltigkeitsexperte Björn Stigsen über grüne Geschäftsmodelle und der aus Luxemburg stammende Intendant der Ruhrfestspiele, Frank Hoffmann, zeichnete ein sympathisches Bild vom Revier. Ansonsten blieben die Deutschen unter sich.

Was Hannelore Elsner über das Ruhrgebiet sagt

Bottrops Oberbürgermeister Bernd Tischler warb für das Stadtumbauprojekt „Innovation City“, der ehemalige Umweltminister Klaus Töpfer führte aus, wie sich Kenntnisse aus dem deutschen Bergbau international vermarkten lassen, Industrie-Gewerkschaftschef Michael Vassiliadis stellte noch einmal klar, dass „nicht Schluss ist mit der RAG, wenn die letzte Tonne Steinkohle gefördert wurde“. Die Ideen reichen von der Umgestaltung ehemaliger Zechengelände zu neuen Stadtquartieren über Windräder auf Bergbauhalden bis zu Pumpspeicherkraftwerken unter Tage. „Strukturwandel beginnt im Kopf“, sagte RAG-Manager Hans-Peter Noll. Ziel müsse es sein, aus „Stilllegungen einen Aufbruch zu generieren“.

In Erinnerung bleiben Sätze von Frank Hoffmann, der Hannelore Elsner zitierte. Auf die Frage, welche drei Begriffe ihr zum Ruhrgebiet einfallen, habe die Schauspielerin „wie aus der Flinte geschossen“ geantwortet: „Kreativ, freundliche Menschen – und grün.“