Düsseldorf. . Seit der Bundestagswahl geht es bei den beiden Volksparteien in Nordrhein-Westfalen wieder abwärts mit den Mitgliederzahlen. Dafür verbuchen viele “kleine“ Parteien seit einem Jahr Zuwachs. Nur eine von ihnen bricht zwei Jahre nach ihrem Boom regelrecht ein: die Piraten.

Es war nur ein Zwischenhoch bei der Bundestagswahl – seitdem geht es bei den beiden Volksparteien in Nordrhein-Westfalen wieder abwärts. Nach der allgemeinen Eintrittswelle neuer Mitglieder Ende 2013 werden CDU und SPD erneut von Schwindsucht erfasst. Allerdings hat sich der Rückgang gegenüber den Vorjahren deutlich verlangsamt. Und: während bisher einzig die Grünen regelmäßig Zuwachs verbuchten, legen seit einem Jahr auch andere „kleine“ Parteien zu. Nur die Piraten nicht.

Die CDU liegt an Rhein und Ruhr als größter Landesverband mit rund 141.100 Mitgliedern weiter vorn. Nach ihrem steilen politischen Absturz bei der Landtagswahl vor zwei Jahren schließt sich „die Schere der Verluste“, wie es in der Parteizentrale heißt. Zwar verlor die Union seit einem Jahr rund 1900 Mitglieder, doch der Rückgang hat sich im Jahresvergleich mehr als halbiert. Generalsekretär Bodo Löttgen glaubt, dass die Menschen „wieder verstärkt Vertrauen“ zur NRW-CDU fassen, seit Armin Laschet den Vorsitz übernommen hat.

SPD hat Agenda-Knick überwunden

Auch die SPD profitiert in ihrer Gesamtbilanz vom Ansturm nach der Bundestagswahl. Sie zählt noch rund 120.000 Mitglieder – 2000 weniger als vor einem Jahr. Immerhin ist der „Agenda-Knick“ nach den Hartz-Reformen ausgestanden, als jährlich bis zu 9000 Mitglieder die SPD verließen. „Positiv stimmt mich, dass wir die Partei mit dem niedrigsten Durchschnittsalter bei den Eintritten sind“, sagt Generalsekretär Andre Stinka. Beim Parteitag im September will die NRW-SPD Ideen erarbeiten, wie sie neue Genossen gewinnen kann.

Auch interessant

Keine Partei bricht so stark ein wie die Piraten. Nach ihrem Boom mit dem Rekordwert von knapp 6500 Mitgliedern im Herbst 2012 schrumpft der Bestand - auf derzeit 5210. Allein im letzten Jahr gingen 800 Piraten von Bord. Ebenso schwer wiegt, dass mehr als jedes zweite Mitglied seinen Beitrag nicht oder nicht pünktlich bezahlt und deshalb kein Stimmrecht hat. Landeschef Patrick Schiffer verhehlt nicht, dass der Schwund in seiner Partei nicht zuletzt auf sinkende Umfragewerte zurückzuführen ist.

Am meisten überrascht wohl der Aufwärtstrend in der NRW-FDP, die sich vom demoskopischen Negativtrend im Bund abkoppelt. 15.200 registrierte Liberale gibt es im Land, 400 mehr als Mitte 2013. Seit dem Desaster bei der Bundestagswahl traten 1000 Mitglieder ein, ob aus Trotz oder aus Mitleid. Die FDP wirbt mit ungewöhnlichen Aktionen: Wer als Neumitglied daheim einen Abend mit Freunden veranstaltet, zu dem kommt ein prominenter Parteifreund wie Christian Lindner, um „hautnah“ über Politik zu diskutieren.

Auch interessant

Die Grünen wachsen und wachsen – leicht, aber beständig wie keine andere Partei. Erstmals wurde soeben in NRW die „Schallmauer“ von 13.000 Mitgliedern durchbrochen – ein Anstieg von 230 innerhalb eines Jahres. Besonders stolz ist Landeschef Sven Lehmann darauf, dass jeder dritte Grüne nicht älter als 40 ist. Die Bedeutung grüner Themen sei ungebrochen. „Wir stehen als einzige Partei glaubhaft für echten Klimaschutz“, findet Lehmann.

Die Linkspartei ist zwar seit 2012 nicht mehr im Landtag vertreten, bei den Mitgliedern aber scheint ihr das nicht zu schaden. Vor allem die Bundestagswahl brachte starken Zulauf. Insgesamt zählt die Linke nach Angaben des neuen Landeschefs Ralf Michalowsky 7670 Köpfe, rund 900 mehr als vor einem Jahr. „Wir schleppen keine so genannten Karteileichen mit“, versichert der Gladbecker. Wer über Monate keinen Beitrag bezahlt und sich auch einem Gespräch verweigert, werde aus der Partei ausgeschlossen.

Überalterung bei den Volksparteien

Überalterung und – als Folge - eine wachsende Zahl von Todesfällen sind ein generelles Problem, das statistisch vor allem CDU und SPD zu schaffen macht. Nach einer Studie der Freien Universität Berlin liegen bundesweit alle etablierten Parteien mit ihrer Mitgliedschaft deutlich über dem deutschen Altersschnitt von 45 Jahren. Am ältesten (60 Jahre) sind Parteigänger der Linken. In den beiden Volksparteien gibt es fast viermal so viele über 70-Jährige wie Nachwuchs unter 25. „Die Parteien“, urteilte deshalb der Parteienforscher Elmar Wiesendahl, „haben den Charme von Altersheimen.“