Düsseldorf. Am 25. Mai schlägt wieder die Stunde der kleinen Parteien, Splittergruppen und lokalen Initiativen. Dann werden nämlich die Bürger Nordrhein-Westfalens an die Wahlurnen gerufen - und wer weiß, welche Ergebnissen die fehlende Sperrklausel bringen wird.
Die einen nennen es bunt, die anderen: chaotisch. Fest steht, dass nach der Kommunalwahl erneut viele Splittergruppen, lokale Initiativen und Mini-Parteien die Rathäuser bevölkern werden, für ausufernde Debatten sorgen und für genervte Reaktionen. Doch aus der fehlenden Sperrklausel in NRW ist längst ein politisches Hirngespinst geworden: Dauerthema für Fensterreden, ungelöst und vor der Wahl tabu. Die Kleinen kommen also am 25. Mai wieder groß raus.
Unter den Kleinen waren 2009 die Linken mit 4,4 Prozent die Größten. Diesmal scheinen ihre alten rot-rot-grünen Träume auf kommunaler Ebene fast ausgeträumt. „Das müsste von unten wachsen“, sagt Landeschefin Gunhild Böth ernüchtert, „es ist aber selbst in Kommunen, wo es möglich wäre, nicht in Sicht.“ Politische Gemeinschaften mit SPD oder Grünen, so Böth, kämen über lose Kooperationen – wie etwa in Münster – kaum hinaus. Die Linke kämpft für sich selbst.
Linke lehnen Kommunal-Soli ab
Für Parteichef Rüdiger Sagel hat die Wahl größte Bedeutung. Sie müsse zeigen, ob es der vor zwei Jahren aus dem Landtag gefegten Linken gelingt, „die Partei weiter aufzubauen“. Dazu will die Linke ihre vor fünf Jahren gewonnenen rund 520 Mandate zumindest behaupten. Landesweit peilt sie ein Ergebnis von 5 plus x an. In „Hochburgen“ wie Duisburg, Essen, Wuppertal oder Köln liegt die Messlatte höher. Bemerkenswert ist, dass die Linke im Wahlkampf den umstrittenen „Kommunal-Soli“ ablehnt, mit dem besser gestellte NRW-Städte ärmere Kommunen unterstützen sollen. Was wie ein linker Klassiker anmutet, hält die Partei in der Praxis für ungerecht. Damit werde die Finanzkrise auf Dauer verschärft. Die Linkspartei, die in allen Städten und Kreisen kandidiert, will den „Soli“ lieber bei Reichen und Millionen-Erben eintreiben. Ein Dauerbrenner.
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Die Piraten hatte 2009 niemand auf der Rechnung. Dass ihnen keine Prozent-Hürde den Weg versperrt, macht sie diesmal zu einem Faktor, mit dem die Konkurrenz kalkulieren muss. Landeschef Patrick Schiffer wittert die Chance, in viele Räte und Kreistage einzuziehen. Bisher sind die Piraten dort nur Exoten. Immerhin schaffte zuletzt in Münster und Aachen je ein Pirat den Sprung ins Rathaus.
Trotz der bundesweit anhaltenden Flaute der Partei setzt Schiffer hohe Erwartungen in den 25. Mai. Die Piraten treten in allen größeren und mittleren Städten sowie den Landkreisen an und haben vor allem Jungwähler ab 16 als Zielgruppe im Blick. Schiffer gibt sich optimistisch: sollte die Piratenpartei drei bis vier Prozent im Landesdurchschnitt erreichen, wäre sie künftig in den Großstadt-Räten in Fraktionsstärke vertreten. „Unsere Leute sind meist unbekannt“, sagt er. Ein Wahlerfolg böte ihnen die Chance, sich lokal besser in Szene zu setzen. Die Kommunalwahl habe deshalb klar Vorrang vor der zeitgleich stattfindenden Europawahl. Thematisch besetzen die Piraten ihr Standard-Projekt „Transparenz auf allen Ebenen“, wollen etwa die Bürger im Internet frühzeitig über lokale Bauvorhaben aufklären und mehr direkte Demokratie durchsetzen.
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AfD will Verschuldung angehen
Neu dabei ist die Alternative für Deutschland (AfD). Sie zählt zwar nach eigenen Angaben rund 3500 Mitglieder in NRW, hat aber im ersten Jahr ihrer Existenz bereits zwei Vorsitzende verbraucht. Übergangsweise leitet der Mönchengladbacher Jurist Hermann Behrendt die Partei, die bei der Kommunalwahl in 43 der 54 Städte und Kreise kandidiert. Die Eurokritiker wollen vor allem mit dem Kampf gegen Verschuldung punkten.
SPD und Grüne hüllen sich in diesen Tagen auf die Frage nach einem neuen Anlauf für eine Sperrklausel in Schweigen. Man will die Wählerschaft nicht unnötig verunsichern. Auch die CDU, die seit längerem die Einführung einer Drei-Prozent-Hürde fordert, hält sich bedeckt. Ob trotz der breiten kommunalen Kritik am Ist-Zustand der Landtag nach der Wahl den Mut aufbringt, das Problem endlich anzufassen, muss man bezweifeln. Viele Experten raten ab. Sie glauben, dass das Verfassungsgericht eine neue Sperrklausel schnell wieder kippt.