Brüssel/Kiew. Die Strafliste der EU in der Ukraine-Krise wird länger: Moskaus führende Geheimdienstler dürfen nicht mehr einreisen. Ihre Konten wurden gesperrt. Wirtschafts-Sanktionen sollen bald folgen — aber Moskau zeigt sich von den Drohgebärden aus Europa bislang unbeeindruckt.
Nach langem Zögern drückt die Europäische Union in der Ukraine-Krise bei Sanktionen gegen Russland aufs Tempo. Am Samstag verbot die EU den Spitzen des Moskauer Sicherheitsapparates die Einreise. Die Leiter der Inlands- und Auslandsgeheimdienste, Alexander Bortnikow und Michail Fradkow, sowie Sicherheitsratschef Nikolai Patruschew kamen auf die Sanktionsliste. Eventuelle Konten in der EU werden gesperrt. Auch Organisationen der prorussischen Aufständischen in der Ostukraine werden mit Sanktionen beleget. In Kiew bereitete sich das ukrainische Parlament indes angesichts der Regierungskrise auf eine Sondersitzung am Donnerstag (31.7.) vor.
EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy bat die 28 Staats- und Regierungschefs der EU schriftlich um rasche Zustimmung zu neuen Wirtschaftssanktionen. Die Regierungschefs sollten ihre EU-Botschafter anweisen, am Dienstag die geplanten Maßnahmen zu billigen. Damit soll ein weiterer EU-Sondergipfel vermieden werden.
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Die Sanktionen erschweren russischen Banken den Zugang zum europäischen Kapitalmarkt. Für die Zukunft werden Waffenexporte verboten. Auch die Ausfuhr von Spezialtechnik zur Ölförderung unterliegt einem Embargo. Van Rompuy teilte mit, dass auch ein Handels- und Investitionsverbot für die von Russland annektierte Krim sowie Sewastopol beschlussreif sei. Die EU-Botschafter könnten dies am Montag beschließen.
Moskau kritisierte die Sanktionen gegen führende Geheimdienstleute als Aufkündigung der gemeinsamen Sicherheitspolitik mit der EU. Europa gefährde den Kampf gegen Massenvernichtungswaffen, den internationalen Terrorismus und das organisierte Verbrechen, erklärte das Außenministerium in Moskau: "Wir sind überzeugt, dass solche Entscheidungen von der terroristischen Internationalen mit Enthusiasmus begrüßt werden."
Vorerst letzter Flug in die Niederlande
Die Niederlande und Australien flogen auch am Samstag Opfer des Flugzeugabsturzes aus der Ostukraine aus. Militärflugzeuge mit je 19 Särgen an Bord starteten aus der ostukrainischen Stadt Charkow nach Eindhoven. Damit seien alle Leichen und Leichenteile, die in vier Kühlwaggons von der Absturzstelle gebracht worden waren, in die Niederlande geflogen worden, meldete die Agentur Interfax unter Berufung auf ukrainische Behörden. Es waren nach vier Tagen die vorerst letzten Flüge der Luftbrücke, auch wenn noch unklar ist, ob tatsächlich alle 298 Opfer von Flug MH17 gefunden worden sind.
Bergung der Toten von Flug MH17 geht weiter
Am Absturzort Grabowo nahe der umkämpften Stadt Donezk ging die Bergung von Wrackteilen der Boeing 777-200 weiter. Es würden noch immer Leichenteile gefunden, sagte Separatistenführer Sergej Kawtaradse in der nicht anerkannten "Volksrepublik Donezk". An der Absturzstelle seien internationale Spezialisten im Einsatz.
Am Freitagabend flogen 40 niederländische Polizisten nach Charkow. Sie sollen unbewaffnet Ermittler an der Absturzstelle unterstützen. Auch 20 weitere Gerichtsmediziner flogen mit. Die Niederlande wollen an diesem Wochenende entscheiden, ob nicht sogar eine bewaffnete Mission an der Absturzstelle nötig ist.
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Bei der kommenden Sondersitzung der Obersten Rada in Kiew könnte auch ein Verbleib des eigentlich zurückgetretenen Regierungschefs Arseni Jazenjuk im Amt beschlossen werden, berichteten Medien in Kiew. Präsident Petro Poroschenko will, dass Jazenjuk bleibt. Der kommissarisch als Regierungschef eingesetzte Wladimir Groisman würde dann nach eigenen Angaben seinen Posten wieder räumen.
Die Gefechte in den Regionen Lugansk und Donezk dauerten an. Bei einem Beschuss durch Granatwerfer der ukrainischen Armee seien in Lugansk 15 Zivilisten getötet und etwa 60 verletzt worden, teilten die Separatisten mit. Eine unabhängige Bestätigung dafür gab es nicht. Die Rebellen versuchten, weitere Abschnitte der Grenze zu Russland unter Kontrolle zu bringen. Über die Grenze läuft nach Einschätzung des Westens ihr Nachschub. (dpa)