Kiew. Wird es der Rücktritt vom Rücktritt? Der ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk könnte doch im Amt bleiben. Aber dafür muss sich das Parlament in Kiew klar zum kostspieligen Kampf um die Ostukraine bekennen. Am Donnerstag soll die Entscheidung fallen.
Das ukrainische Parlament plant angesichts der Regierungskrise in Kiew und des blutigen Konflikts im Osten des Landes am Donnerstag (31. Juli) eine Sondersitzung. Dabei könnte auch ein Verbleib des eigentlich zurückgetretenen Regierungschefs Arseni Jazenjuk im Amt beschlossen werden, wie Medien in Kiew am Samstag berichteten. Präsident Petro Poroschenko äußerte in Kiew die Hoffnung, dass Jazenjuk seine Krisenarbeit fortsetze.
Der Regierungschef hatte seinen Rücktritt am Donnerstag auch mit seinem Ärger über die Arbeit des Parlaments begründet. Der als Interimsregierungschef eingesetzte Wladimir Groisman würde dann nach eigenen Angaben seinen Posten wieder räumen.
Anschläge auf zwei wichtige Bürgermeister
Währenddessen sind Anschläge auf zwei Bürgermeister wichtiger Großstädte verübt worden. Im zentralukrainischen Krementschug ermordeten Unbekannte den Bürgermeister Oleg Babajew mit drei Schüssen, wie örtliche Medien berichteten. Angaben zum Hintergrund der Bluttat gab es nicht. Babajew war unter Abgeordneter unter Ministerpräsidentin Julia Timoschenko.
Im westukrainischen Lwiw (Lemberg) wurde das Haus von Bürgermeister Andrej Sadowy mit einem Granatwerfer beschossen. Den Angaben nach wurde niemand verletzt. Sadowy gilt als einer der einflussreichsten Politiker in der Westukraine.
Massive Steuererhöhung für Kampf in der Ostukraine
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Nach dem Rücktrittsersuch Jazenjuks soll die Oberste Rada in Kiew nun erneut versuchen, unter anderem Änderungen im Staatshaushalt sowie bei der Erhebung von Steuern zu beschließen. Die Gesetze bedeuten massive Mehrausgaben für die Bürger der krisengeschüttelten Ex-Sowjetrepublik. Ursprünglich hatte das Parlament erst am 12. August wieder tagen sollen.
In der Ukraine ist Medien zufolge auch eine Kriegssteuer von 1,5 Prozent auf Einkommen im Gespräch. Damit soll der Kampf des Militärs gegen die prorussischen Separatisten in der Ostukraine finanziert werden. Jazenjuk hatte beklagt, dass das Geld bisher nicht einmal zum Betanken der Panzer reiche.
Mit seinem Rücktritt habe er darauf hinweisen wollen, dass das "Parlament es ablehnt, die ukrainischen Streitkräfte zu unterstützen, dass das Parlament es ablehnt, Krieg zu führen und wirklich um den Osten zu kämpfen, dass das Parlament denen keine Steuern auferlegen will, die diese Abgaben leisten können", sagte Jazenjuk.
Gefechte in Lugansk und Donezk dauern an
Die Gefechte in den Regionen Lugansk und Donezk dauerten an. Bei einem Beschuss durch Granatwerfer der ukrainischen Armee seien in Lugansk 15 Zivilisten getötet und etwa 60 verletzt worden, teilten die prorussischen Separatisten mit. Eine unabhängige Bestätigung dafür gab es nicht.
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Die Rada soll außerdem erneut über den im Land umstrittenen Verkauf des Gasleitungsnetzes an ausländische Investoren entscheiden. Einer von Staatschef Poroschenko in Kiew veröffentlichten Mitteilung zufolge geht es bei der Sitzung auch um die Ermittlungen zum Absturz der malaysischen Passagiermaschine am 17. Juli in dem Bürgerkriegsgebiet. Beschlossen werden soll unter anderem der Einsatz von Polizeikräften an der Absturzstelle.
Fast 300 Menschen waren bei dem mutmaßlichen Raketen-Beschuss von Flug MH17 um Leben gekommen. Die Ukraine und die prorussischen Separatisten geben sich gegenseitig die Schuld an der Tragödie.
Am Absturzort Grabowo nahe der umkämpften Stadt Donezk ging die Bergung von Wrackteilen der Boeing 777-200 weiter. Es würden noch immer Leichenteile gefunden, sagte Separatistenführer Sergej Kawtaradse in der nicht anerkannten "Volksrepublik Donezk" der Agentur Interfax zufolge. An der Absturzstelle seien internationale Spezialisten im Einsatz.
Von der ostukrainischen Stadt Charkow aus sollte am Samstag erneut ein Flugzeug mit Überresten der Opfer in die Niederlande abfliegen. Die Mehrheit der Passagiere kam aus den Niederlanden. Am Bord der Maschine waren auch vier Deutsche. (dpa)