Den Haag/Kiew . An der Absturzstelle von MH17 liegen noch immer Leichen, die Ermittler haben weiterhin keinen freien Zugang am ukrainischen Unglücksort. Die Niederländer wollen die Ermittlungen nun mit eigenen Truppen vorantrieben. Am Wochenende soll über einen bewaffneten Einsatz entschieden werden.
Die Niederlande schließen einen bewaffneten Militäreinsatz zur Sicherung der Absturzstelle von Flug MH17 in der Ostukraine nicht aus. Nötig sei aber die Zustimmung der Regierung in Kiew wie auch der prorussischen Separatisten in der umkämpften Region, sagte Ministerpräsident Mark Rutte am Freitag in Den Haag.
Acht Tage nach dem mutmaßlichen Abschuss der malaysischen Boeing 777-200 zeigte sich, dass noch immer nicht alle 298 Todesopfer geborgen sind. Ermittler entdeckten an der Absturzstelle ein neues großes Wrackteil sowie weitere Leichen. Den dritten Tag in Folge flogen die Niederlande und Australien bereits geborgene Leichen von Charkow nach Eindhoven aus. Bislang kann in dem umkämpften Rebellengebiet keine geordnete internationale Such- und Ermittlungsmission stattfinden.
Auch interessant
Nach dem Rücktritt der Regierung in Kiew vom Donnerstag übernahm Vizeministerpräsident Wladimir Groisman kommissarisch die Leitung des Kabinetts. Damit steuert die Ukraine mitten in ihrer Krise auf eine Neuwahl des Parlaments zu, die am 26. Oktober stattfinden könnte.
Entscheidung über Militäreinsatz am Wochenende
Über einen Militäreinsatz werde die Regierung am Wochenende entscheiden, sagte Rutte. Am Vortag hatte er gefordert, eine internationale Polizeitruppe solle die Absturzstelle sichern.
Australien hat bereits Polizisten nach London entsandt, die für einen Einsatz infrage kämen. Die Separatisten schlossen eine Polizeitruppe nicht kategorisch aus. "Wenn sich Malaysia, Australien oder die Niederlande an uns wenden, werden wir den Vorschlag natürlich prüfen", sagte Sergej Kawtaradse von der "Volkswehr" in Donezk.
Auch interessant
Die Aufständischen könnten die Sicherheit der Polizisten in der Kampfzone aber nicht garantieren. Die Ukraine und der Westen gehen davon aus, dass Separatisten die Boeing versehentlich abgeschossen haben. Die Aufständischen bestreiten dies.
Drei Vertreter Australiens sowie Beobachter der OSZE stießen am Donnerstag in einem dichten Waldstück auf ein Rumpfteil, dessen Fenster und Sitze weitgehend intakt waren. "Es schien fast so, als sei es wie aus dem Nichts erschienen, denn es waren keine abgebrochenen Äste oder ähnliche Anzeichen zu sehen, die darauf hinweisen, dass ein großes Stück Rumpf dort zu Boden gefallen ist." Das sagte Sprecher Michael Bociurkiw von der Beobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) dem australischen Sender ABC. Die Diplomaten und Gerichtsmediziner seien aber nicht darauf vorbereitet gewesen, die Leichen zu bergen.
Niederländer rechnen mit weiteren Flug a Samstag
Die Außenminister der Niederlande und Australiens, Frans Timmermans und Julie Bishop, sprachen am Freitag in der ostukrainischen Stadt Charkow mit den dort arbeitenden Gerichtsmedizinern. Von der Absturzstelle waren die Leichen in einem Sonderzug in die Großstadt gebracht worden. Die Angaben, wie viele Opfer der Zug tatsächlich transportierte, gehen aber auseinander. Die Niederlande rechnen mit mindestens einem weiteren Flug am Samstag, um die Toten auszufliegen.
Bei Kämpfen zwischen Sicherheitskräften und Separatisten in der Ostukraine kamen erneut zahlreiche Menschen ums Leben. Die Aufständischen berichteten von angeblich 100 getöteten Soldaten bei Gefechten im Gebiet Lugansk. Dafür gab es aber keine unabhängige Bestätigung. Die ukrainische Armee teilte mit, sie habe dort nach tagelangen Schusswechseln die Stadt Lissitschansk zurückerobert.
Nach dem Rücktritt des ukrainischen Regierungschefs Arseni Jazenjuk (40) ist dessen bisheriger Stellvertreter Wladimir Groisman (36) zum geschäftsführenden Ministerpräsidenten ernannt worden. Er gilt als Vertrauter von Präsident Petro Poroschenko. Jazenjuk hatte am Donnerstag nach nur fünf Monaten im Amt den Rücktritt erklärt. Grund war unter anderem der Bruch seiner Koalition. (dpa)