Essen. . Der britische Geheimdienst GCHQ besitzt die technische Möglichkeiten, Inhalte im Internet verfälschen zu können. Der Dienst könne unter anderem Online-Umfragen und Besucherzahlen manipulieren sowie Mail-Adressen übernehmen. Die Programme zählen zu “alarmierendsten Propagandawerkzeugen“.
Das Internet sollte die Despoten in aller Welt erzittern lassen. Durch den freien Zugang zu Informationen, Nachrichten und Wissen sollte es zum globalen Werkzeug gegen die Unterdrückung werden, die freie Meinungsbildung ermöglichen und die Demokratie befördern. Wurde dieser Traum durch die NSA-Affäre schon schwer beschädigt, kann er nach den neuesten Enthüllungen wohl nur noch still und leise zu Grabe getragen werden.
Edward Snowden hat aus seinem bisher schon furchterregendenden Fundus von Dokumenten ein weiteres gezückt, das zeigt, wie wenig man Internet-Inhalten noch trauen kann. Snowdens Vertrauter, der Journalist Glenn Greenwald, berichtet unter Berufung auf neue Papiere auf seiner Internet-Plattform „The Intercept“ über die weitreichenden technischen Möglichkeiten des britischen Geheimdienstes GCHQ.
Software als eine Art „Hacker Büffet“
Mit Hilfe spezieller Programme ist er in der Lage, den Datenverkehr im Internet gezielt zu manipulieren. Die Dienste können unter anderem Online-Abstimmungen und Klickzahlen verändern, das Netz mit regierungsfreundlicher Propaganda füttern sowie Inhalte auf Videoplattformen zensieren.
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Die Software ist nach Greenwalds Angaben eigens vom britischen Geheimdienst entwickelt worden. Die Programme würden auf einer internen Datenbank gesammelt, auf die befugte Mitarbeiter je nach Bedarf zugreifen könnten. Bis Juli 2012 sei dies fast 20 000-mal geschehen. Greenwald nennt die Software-Sammlung eine Art „Hacker-Büffet zur Verwüstung des Internets“. Und er beschreibt die Anwendungen als „einige der erstaunlichsten Methoden von Propaganda und Täuschung im Internet“.
Skype-Nutzern in Echtzeit lauschen
Die Spähprogramme der Briten tragen Namen sprechende wie „Rolling Thunder“ (Donnergrollen) oder „Angry Pirate“ (Zorniger Pirat). Konkret können Agenten des Dienstes sie einsetzen, um unter anderem:
- Ergebnisse von Online-Umfragen zu verändern
- Inhalte von Video-Websites zu entfernen
- Skype-Nutzer in Echtzeit zu überwachen
- Computer-Accounts dauerhaft zu deaktivieren
- Datenverkehr auf Websites künstlich zu erhöhen
- bestimmte Videos auf Portalen wie Youtube zu „verstärken“, also die Platzierung zu beeinflussen
- E-Mail-Adressen zu übernehmen und damit gefälschte Nachrichten zu versenden
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Snowden kritisiert Eilgesetze
Die Enthüllungen sind zeitlich klug platziert. Das britische Unterhaus debattiert über ein neues Gesetz, das der Regierung von David Cameron mehr Befugnisse bei der Online-Überwachung geben soll. Mit Eilgesetzen will sie die Überwachung von Telefon- und Internetverbindungen neu regeln. Im Kern geht es um das weitere Sammeln von Vorratsdaten, nachdem der Europäische Gerichtshof die bisherige Richtlinie gekippt hatte.
Edward Snowden kritisiert die Pläne und vor allem die Hast des Verfahrens scharf. „Ich meine, es fallen keine Bomben. Wir haben keine U-Boote in den Häfen“, sagte Snowden in einem Interview, das Redakteure des „Guardian“ mit ihm in Moskau geführt haben. „Ist es wirklich so aufwendig für uns, sich ein paar Tage Zeit für die Debatte zu nehmen, wo die rote Linie für die Behörden gezogen werden soll und was wirklich dem öffentlichen Interesse dient?“ Die britische Regierung rechtfertigte die Eile: Das neue Gesetz solle verhindern, dass Daten verloren gehen.