Brüssel. Nach einer umstrittenen Nominierung stimmt das Europaparlament am Dienstag über den designierten Präsidenten der EU-Kommission Jean-Claude Juncker ab. Dem früheren luxemburgischen Regierungschef dürfte dabei die notwendige Mehrheit von 376 der 751 EU-Parlamentarier sicher sein – wenn sich alle an die Spielregeln halten. Sicher ist das nicht.
Mit 59 Jahren legt Jean-Claude Juncker einen Neustart hin. Denn der langjährige Premierminister Luxemburgs wird mit großer Sicherheit am Dienstag im EU-Parlament zum EU-Kommissionspräsidenten gewählt. Junckers Einfluss auf die nationale Gesetzgebung, die immer öfter von Brüssel diktiert wird, dürfte somit größer werden.
18 Jahre Ministerpräsident
Noch vor einem Jahr war Jean-Claude Juncker darauf aus, an seine 18 Jahre als luxemburgischer Regierungschef noch ein paar Jahre dranzuhängen. Doch als er nach den Wahlen im Großherzogtum durch einen Wechsel des sozialdemokratischen Koalitionspartners abserviert wurde, liebäugelte er mit dem Posten Herman Van Rompuys. Der Belgier an der Spitze des Europäischen Rates der Staats- und Regierungschefs tritt ebenfalls diesen Herbst ab und Juncker hielt sich für den gegebenen Nachfolger.
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Doch eine Chance hatte er nicht. Zu vielen seiner Kollegen, gerade auch solchen aus seiner christdemokratischen Parteienfamilie EVP, ist er verdächtig: Den einen ist er zu wenig wirtschaftsliberal und zu rheinisch-kapitalistisch, den anderen zu eindeutig auf weitere Integration der europäischen Staaten erpicht. Gerüchte über Alkoholprobleme und Ärger über zuviel Beharrlichkeit bei der Verteidigung des luxemburgischen Bankgeheimnisses kamen hinzu.
Taktierte mit Geschick
Er hätte auch keine Aussicht gehabt, José Barroso zu beerben, hätten Angela Merkel und Co. dessen Chefsessel noch nach alter Väter Sitte im Hinterzimmer vergeben können. Doch als EVP-Spitzenkandidat bei den Europawahlen zog er an allen Widerständen und Einwänden vorbei: Wer Juncker nicht wollte, war auf einmal nicht mehr richtig demokratisch. Diese Karte hat er mit mehr Einsatz und Geschick gespielt, als seine Kritiker ihm zugetraut hatten. Merkel und Co. nominierten ihn für den EU-Chefjob, das neue Europa-Parlament wird ihn nach Lage der Dinge heute wählen.
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Völlig sicher kann er sich dessen allerdings nicht sein. Zwar haben Schwarze (EVP), Rote (S+D) und Liberale (ALDE) eine „Belgien-Koalition“ verabredet, die Juncker küren soll und die benötigte absolute Mehrheit von 376 Ja-Stimmen um mehr als 100 übertrifft. Aber die Wahl ist geheim, und in Probeabstimmungen hat sich herausgestellt, dass zahlreiche Abgeordnete aus dem Dreibund den Mann nicht wählen wollen.
Grüne: Er ist geeigneter als andere
Dabei hat Juncker durchweg einen guten Eindruck gemacht. Selbst Grünen-Fraktionschefin Rebecca Harms findet: „Er ist geeigneter als jeder andere.“ Ärger bei den eigenen Leuten gibt es schon. Beim Auftritt vor der sozialdemokratischen S+D-Fraktion hat Juncker versichert, die Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds müsse durch „ein demokratischeres Gremium“ ersetzt werden.
Schwer tut sich der Kommissionschef in spe mit seinem Bemühen, für die künftige Kommission einen vorzeigbaren Frauenanteil zu rekrutieren. Derzeit sind acht der 28 Mitglieder der Kommission weiblich. Das Parlament verlangt für die Zukunft mindestens neun Frauen.