Tel Aviv/Gaza. . Im Gaza-Konflikt ist kein Ende des Blutvergießens in Sicht. Knapp eine Woche nach Beginn ihrer Offensive weitete die israelische Armee ihren Einsatz gegen militante Palästinenser noch aus. Die israelische Armee warnt mit Flugblättern vor Angriffswelle. Schulen werden zu Notunterkünften.

Der 16 Jahre alte Yarin Levi hatte die Nase voll davon, im Schutzraum zu sitzen: „Er wollte zum Friseur, ein wenig frische Luft schnappen“, erzählte sein Vater Avinoam Sonntag im Armeeradio. Doch zu einer Zeit, in der in Yarins israelische Heimatstadt Aschkelon im Minutentakt Raketen aus Gaza einschlagen, wurde ihm dieser Wunsch zum Verhängnis. Als die Luftschutzsirenen aufheulten, war Yarin auf einem Parkplatz und konnte nicht schnell genug Schutz finden. Die Rakete schlug wenige Meter von ihm entfernt ein, ein Schrapnell verletzte ihn schwer.

Das ist nur eine Geschichte unter immer mehr tragischen Schicksalen rund um Gaza, wo die Opferzahlen im Schlagabtausch zwischen radikal-islamischen Gruppen im Gaza-Streifen und Israels Armee jeden Tag steigen. In Gaza berichten palästinensische Quellen von mehr als 160 Toten.

Vermittlungsversuche laufen an

Am Wochenende eskalierte die Lage weiter. Palästinenser intensivierten ihren Raketenbeschuss und gaben mehrere Salven auf Tel Aviv ab. Einige der Raketen, die die Hamas-Aktivisten aus Gaza abfeuerten, landeten in der palästinensischen Stadt Hebron im Westjordanland. Erstmals feuerten die Islamisten eine Rakete auf Nahariya an der libanesischen Grenze ab – niemand in Israel dachte, dass die Hamas über so weitreichende Geschosse verfügt. Damit befindet sich das ganze Land in Reichweite der Islamisten.

Nord-Israel geriet auch aus einer anderen Richtung unter Beschuss: Palästinensische Gruppen schossen zwei Mal Raketen aus dem Libanon ab, Israel antwortete mit Artilleriefeuer. Nach Berichten ägyptischer Medien stellten Sicherheitskräfte im Sinai 20 Raketen sicher, die offenbar aus dem Gaza-Streifen geschmuggelt worden waren.

Auch das israelische Militär verstärkte seine Militäraktion in Gaza. Erstmals drangen Marinekommandos von See her in den Landstrich ein, um nach eigenen Angaben eine Raketenbasis zu zerstören. Die Luftwaffe intensivierte ihre Angriffe und tötete mehrere Hamas-Kommandeure. Der Polizeikommandant Gazas, Taisir al Bardsch, wurde schwer verletzt, als sein Haus bombardiert wurde. 21 Menschen starben bei dem Luftangriff. Das Haus befindet sich in der Nähe einer Moschee, die ebenfalls getroffen wurde.

Tote – trotz oder gerade wegen einer Warnung

Da nach Angaben der israelischen Armee etwa 40 Prozent der Raketen aus der Kleinstadt Beit Lahia im Norden des Gaza-Streifens abgefeuert werden, soll die Region nun verstärkt beschossen werden. Sonntagmorgen warf die Armee Flugblätter ab, die die Bewohner aufforderten, ihre Häuser zu verlassen. „Die Hamas hat unter Beit Lahia zwischen den Wohnhäusern ein Netzwerk von Tunneln errichtet, aus denen heraus sie Israel beschießt“, sagte der hochrangige Offizier dieser Zeitung.

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Manchmal kosten auch die Warnungen der Armee Palästinensern das Leben. Yousef und sein Sohn Anas Qandil flohen aus ihrem Haus im Flüchtlingslager Deschbaliyah, nachdem ihr Nachbar einen Warnanruf von Israels Armee erhalten hatte. Sie suchten unter einem Baum Schutz. Doch die Rakete schlug nicht im Haus, sondern neben ihnen ein und tötete beide.

Die Welt versucht zu vermitteln

Das UN-Flüchtlingshilfswerk Unwra funktioniere am Sonntag im Gaza-Streifen zehn Schulen in Auffanglager um, um der Bevölkerung besseren Schutz zu bieten. Tausende Palästinenser aus dem Norden suchten dort gestern Zuflucht.

Das Innenministerium der Hamas rief die Bewohner dazu auf, in ihre Häuser zurückzukehren, um der israelischen Armee „nicht ihre Arbeit zu erleichtern“. Israels Regierungschef Netanjahu erklärte, Israel nutze Raketen, um ihre Bevölkerung zu schützen, die Hamas „nutzt die Bevölkerung um ihre Raketen zu schützen“. Netanjahu sagte auch: Die Militäroperation werde so lange vorgesetzt, „bis Israel nicht mehr beschossen wird“.

Am Sonntag trafen sich die Außenminister der USA, Großbritanniens, Frankreichs und Deutschlands, um zu beraten, wie ein Waffenstillstand vermittelt werden kann. Außenminister Steinmeier wird heute in der Region erwartet.