Jerusalem. Raketen auf Jerusalem und Tel Aviv, Luftangriffe auf Ziele im Gaza-Streifen: Im Nahostkonflikt sind weiter keine Anzeichen der Annäherung zwischen Israelis und Palästinensern zu erkennen. US-Präsident Barack Obama hat angeboten zu vermitteln, doch seine Möglichkeiten sind begrenzt.
Im eskalierten Konflikt zwischen Israel und der islamistischen Hamas hat US-Präsident Barack Obama Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die USA als Vermittler angeboten. Die USA seien bereit, ein "Ende der Feindseligkeiten" herbeizuführen, sagte Obama in einem Telefonat mit Netanjahu laut einer Mitteilung des Weißen Hauses von Donnerstag (Ortszeit). Unter anderem sei dies möglich durch eine Rückkehr zu der im November 2012 vereinbarten Waffenruhe. Obama zeigte sich besorgt über eine weitere Eskalation der Gewalt und sagte, alle Seiten müssten die Leben von Zivilisten schützen und Ruhe einkehren lassen.
Netanjahu kündigte am Donnerstagabend nach mehr als sechsstündigen Beratungen mit seinem Sicherheitskabinett "weitere Stufen" des Militäreinsatzes gegen die Extremisten im Gazastreifen an. Die Hamas zeigte sich genauso unnachgiebig und erklärte, sie könne den Kampf noch monatelang fortsetzen.
Israel hat 900 Ziele angegriffen
Der israelische Verteidigungsminister Mosche Jaalon ist nach einem Fernsehbericht für einen begrenzten Einsatz von Bodentruppen im Gazastreifen. Wie der Fernsehsender Channel 10 unter Berufung auf Quellen im Verteidigungsministerium berichtete, würde Israel sich auf Ziele konzentrieren, die nicht aus der Luft zerstört werden könnten, schrieb in der Nacht zum Freitag die Zeitung "Times of Israel" online. Konkret wurden die Tunnel genannt, die Hamas in der Nähe der israelischen Grenze gegraben hat.
Seit Dienstag hat die israelische Luftwaffe nach Armeeangaben schon fast 900 Ziele im Gazastreifen angegriffen. Die Zahl der getöteten Palästinenser stieg am Donnerstag auf 98, wie ein Sprecher der örtlichen Rettungsdienste, Aschraf al-Kidra, am Freitag über Twitter mitteilte. 670 Menschen seien seit Beginn der Offensive verletzt worden.
Erstmals wieder Raketen aus dem Libanon
Am Donnerstagabend teilte das israelische Militär mit, dass binnen drei Tagen mindestens 384 von militanten Palästinensern im Gaza-Streifen abgefeuerte Raketen Israel getroffen haben. Weitere 88 seien von der Raketenabwehr abgefangen worden.
Erstmals seit Beginn des jüngsten Gaza-Konflikts ist auch aus dem Libanon eine Rakete auf Israel abgefeuert worden. Eine Armeesprecherin in Tel Aviv bestätigte, ein Geschoss sei am Morgen in der Nähe der Grenzstadt Metullah gefunden worden. Es gab keine Berichte zu möglichen Opfern.
"Die Operation geht voran wie geplant"
In der Nacht zum Freitag ging der Beschuss weiter. Wieder heulten in Israel die Sirenen - auch in der nordisraelischen Hafenstadt Haifa. Dort brach nach Medienberichten eine ältere Frau bei einem Raketenalarm auf dem Weg zu einem Schutzraum zusammen und starb. Dies berichtete die Zeitung "Times of Israel" am frühen Freitagmorgen. Rettungssanitäter hätten versucht die Frau in den Siebzigern wiederzubeleben. Dies sei ihnen jedoch nicht gelungen.
"Die Operation geht voran wie geplant", sagte Netanjahu. "Wir haben der (radikal-islamischen) Hamas schweren Schaden zugefügt. Aber wir werden noch härter zuschlagen, während die Operation weitergeht." Zuvor hatte Netanjahu bekräftigt, eine Feuerpause stehe nicht auf der Tagesordnung und er verhandle momentan auch mit niemandem.
Israel mobilisiert 33.000 Reservisten
Israels Armee hat vor einer möglichen Bodenoffensive im Gazastreifen drei Infanteriebrigaden an die Grenze zu dem Palästinensergebiet verlegt. Ein oder zwei weitere Brigaden sollten in den kommenden Tagen zur Verstärkung anrücken, sagte der israelische Militärsprecher Peter Lerner am Freitag.
Insgesamt seien bereits 33 000 israelische Reservisten mobilisiert worden. Die Luftwaffe habe binnen drei Tagen 1100 Ziele im Gazastreifen beschossen, die Hälfte davon Raketenabschussrampen. In dem Zeitraum hätten militante Palästinenser 550 Raketen auf Israel abgefeuert, von denen rund 400 eingeschlagen seien. Die Raketenabwehr habe etwa 120 weitere Geschosse in der Luft abgefangen, sagte Lerner.
Hamas lehnt Israels Existenzrecht ab
Die Hamas-Miliz rief die Bewohner Gazas auf, sich als menschliche Schutzschilde zur Verfügung zu stellen. Ein Sprecher lobte jene Palästinenser als Vorbilder, die kurz vor einem israelischen Angriff auf die Dächer ihrer Häuser gestiegen waren.
Hamas lehnt Israels Existenzrecht sowie eine Friedensregelung ab. Die Organisation sieht sich als Speerspitze im Kampf gegen die israelische Besatzung der Palästinensergebiete. Auslöser der jüngsten Krise waren der gewaltsame Tod dreier jüdischer Jugendlicher und der mutmaßliche Rachemord an einem palästinensischen Jungen.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon mahnt zur Mäßigung
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon verurteilte die Gewalt und mahnte zur Mäßigung. "Es ist inakzeptabel für die Zivilisten auf beiden Seiten, dass sie permanent in Angst vor dem nächsten Luftangriff leben müssen", sagte Ban in New York vor dem UN-Sicherheitsrat. Er ermahnte die Parteien, eine Feuerpause zu ermöglichen. Friedensgespräche zwischen Israel und den Palästinensern unter US-Vermittlung waren im April gescheitert.
Israel wägt nach den Worten des Armeesprechers Peter Lerner noch die Vor- und Nachteile einer Bodenoffensive im Gazastreifen ab. Ziel sei es, den Raketenbeschuss zu unterbinden. Ein Einmarsch sei jedoch die "letzte Option", betonte der Sprecher. Dafür seien jedoch schon 20 000 Reservisten eingezogen worden. Die israelische Regierung hatte die Mobilisierung von insgesamt 40 000 Reservisten gebilligt.
Die USA, Israel und die EU stufen die Hamas mit ihren Milizen als Terrororganisation ein. Israel sieht die zweitgrößte Palästinensergruppe aber auch als Ordnungsmacht im Gazastreifen. (dpa)