Münster/Düsseldorf. Die NRW-Landesregierung hat mit ihrem Gesetz zur Beamtenbesoldung gegen die Verfassung verstoßen. Die Konsequenz aus dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs: Mehr Geld für die höheren Beamten - und weniger für andere Zwecke. Finanzminister Norbert Walter-Borjans verhängte eine Haushaltssperre.

NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans hat am Dienstagabend eine Haushaltssperre verhängt. Damit werden die Ausgaben des Landes auf das zwingend notwendige Maß beschränkt. Der Schritt folgte auf eine Niederlage der Landesregierung vor dem Landesverfassungsgericht, durch die dem Haushalt womöglich zusätzliche Kosten in dreistelliger Millionenhöhe aufgebürdet werden.

Die obersten Richter des NRW-Verfassungsgerichts in Münster hatten zuvor das umstrittene Besoldungsgesetz für die Landesbeamten für verfassungswidrig erklärt, das in den Jahren 2013 und 2014 nur bei den unteren Einkommensstufen die volle Übertragung des Tarifabschlusses im Öffentlichen Dienst von insgesamt 5,6 Prozent vorsah. Polizisten und Justizangestellte in den Besoldungsstufen A11 und A12 sollten sich mit zwei Prozent Einkommenszuwachs begnügen, Lehrer und Richter ab A13 zwei Nullrunden hinnehmen.

Diese Ungleichbehandlung und die großen Sprünge zwischen den Besoldungsstufen seien nicht mit der Landesverfassung vereinbar, urteilten die Richter. Das Land habe bei der Gesetzgebung zwar einen großen Spielraum, betonte Gerichtspräsidentin Ricarda Brandts in der Urteilsbegründung. Das Gesetz verstoße aber gegen Grundsätze der Besoldung. Auch sei das Abstandsgebot zwischen den Besoldungsgruppen verletzt worden. Grundsätzlich müsse das Land seine Staatsdiener an der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Entwicklung beteiligen.

"Vertrauen in die Politik erschüttert"

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Der Vorsitzende des Beamtenbundes in NRW, Roland Staude, sprach von einer „schallenden Ohrfeige“ für Rot-Grün und forderte als Konsequenz aus dem Urteil rückwirkend die Erhöhung aller Beamtenbezüge um 5,6 Prozent.

Der Vorsitzende des Bundes der Richter und Staatsanwälte in NRW, Reiner Lindemann, forderte sogar den Rücktritt von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Sie trage die Verantwortung für die Landesregierung. Diese habe gegen den Rat von Experten die Nullrunden für höhere Beamte durchgeboxt. 20 der 21 Experten hätten bei der Sachverständigenanhörung im Landtag vor einem Jahr verfassungsrechtliche Bedenken geäußert. Dennoch habe Kraft empfohlen, dem Gesetzentwurf zuzustimmen. "Das Vertrauen der dritten, Recht sprechenden Staatsgewalt in das grundsätzliche Bemühen der Politik um rechtmäßige Entscheidungen ist hierdurch nachhaltig erschüttert", teilte der Verband mit. "Daher muss die Ministerpräsidentin jetzt Konsequenzen ziehen."

Erhebliche Mehrausgaben durch das Urteil

NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) kündigte am Dienstag zwar ein neues Besoldungsgesetz bis Ende des Jahres an. Über Zeitpunkt und Höhe der fälligen Besoldungszuschläge für die betroffenen 226.000 NRW-Beamten wollte er aber zunächst nichts sagen. Man werde nach der Sommerpause mit den Gewerkschaften verhandeln. Das Verfassungsgericht habe klargestellt, dass es „keinen Automatismus“ für eine Übertragung des Tarifergebnisses gebe und eine soziale Staffelung in der Beamtenschaft möglich sei, sagte Walter-Borjans.

In Koalitionskreisen wurden die politischen Spielräume jedoch als „sehr gering“ eingestuft. Münster habe dem Land „erhebliche strukturelle Mehrausgaben“ aufgebrummt. Ein Nachtragshaushalt des Landes sei nun „absehbar“, räumte Walter-Borjans ein. Die 1:1-Übertragung des Tarifabschlusses auf alle Beamten würde Rot-Grün Mehrkosten von über 700 Millionen Euro jährlich bescheren.

Opposition fordert Kurswechsel der Regierung

Die Oppositionsfraktionen von CDU, FDP und Piraten, die erfolgreich geklagt hatten, forderten einen Kurswechsel in der rot-grünen Haushaltspolitik. „Das Vorgehen der Landesregierung hat einen Millionenschaden für die Landeskasse verursacht“, kritisierte CDU-Chef Armin Laschet. Gemeinsam mit der Beamtenschaft hätte Rot-Grün ein Sparkurs verabreden müssen. Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner sprach von der gescheiterten Strategie der Regierung Kraft, „mangelnden Sparwillen einseitig bei Polizisten und Lehrern abladen zu wollen“. Es fehle ein sachlicher Grund für die Abkopplung der Beamtengehälter. Sie kritisierten, dass der angemessene Lebensstandard für Beamte nicht mehr gesichert sei.

So rechtfertigte der NRW-Finanzminister die Nullrunde

Aber was bedeutet angemessen? Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) hatte in der Verhandlung auf Nachfrage der Richter ausgesagt. "Wir haben sehr genau hingeschaut. Die Nettolöhne haben sich sehr unterschiedlich entwickelt. Die unteren Besoldungsgruppen bei den Beamten werden durch höhere Lebenshaltungskosten und höhere private Krankenversicherungsbeiträge stärker getroffen. Deshalb haben wir hier ja auch den Abschluss des Öffentlichen Dienstes übernommen." Er hielt es für vertretbar, dass die besser verdienenden Beamten und Richter auf einen Lohnzuwachs verzichten müssen. Außerdem sei der Tarifabschluss nur ein Kriterium unter vielen für die Bewertung der Beamtengehälter. (ts, tobi, dpa)