Düsseldorf/Münster. . Das Landesverfassungsgericht verhandelt ab Dienstag die Nullrunde für höhere Beamte. Sollten die Richter die Regelung kippen, wären Personalkürzungen und Milliardenkosten die Folge. Das Sparziel der Landesregierung geriete in Gefahr. Doch die Beamten pochen auf eine Korrektur des Besoldungsgesetzes, das ihnen eine Nullrunde verordnet hatte.

Norbert Walter-Borjans hat am Dienstag einen wichtigen Termin in Münster. Zum vierten Mal in seiner noch kurzen Amtszeit erscheint der NRW-Finanzminister vor dem Verfassungsgericht des Landes, und das Urteil könnte die Regierung Kraft teuer zu stehen kommen – politisch wie finanziell. Sollten die obersten Richter das Besoldungsgesetz für Beamte korrigieren und die umstrittenen Nullrunden für höhere Bedienstete kippen, gerät die rot-grüne Koalition noch vor der Sommerpause unter Stress.

Offiziell hält man sich in Düsseldorf vor der Urteilsverkündung bedeckt. „Völlig offen“ sei der Ausgang, heißt es nur. Im Vier-Augen-Gespräch wird aber klar, dass die mündliche Verhandlung vor zwei Wochen viele rot-grüne Beobachter skeptisch stimmte. „Wir werden wohl Änderungen am Gesetz vornehmen müssen“, so die Prognose eines führenden Koalitionärs.

Drei mögliche Szenarien

Drei Szenarien wurden am Montag bei SPD und Grünen durchgespielt. Dass das Gericht unter Vorsitz von Präsidentin Ricarda Brandts die Klage von CDU, FDP und Piraten komplett zurückweist, wagt kaum jemand zu hoffen. Auch Variante zwei – eine nachträgliche Übertragung des vollen Tarifabschlusses für die Jahre 2013 und 2014 von 5,6 Prozent auf alle Landesbeamten – gilt den wenigsten als wahrscheinlich. Aus rot-grüner Sicht wäre dies der schlimmste Fall: er würde ein Loch von 1,4 Milliarden Euro in den Etat reißen.

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Erwartet wird allgemein, dass die Richter die doppelte Nullrunde für Staatsdiener im höheren Dienst aufheben und der Regierung auftragen, für zwei Jahre nachzubessern. In welcher Größenordnung, gilt als offen. Was Rot-Grün im März 2013 als Teil einer „sozialen Staffelung“ ausgab, kam bei Beamten und ihrer einflussreichen Lobby als rohe Botschaft an. Für den DGB war es ein „Skandal“, dass im Zeichen des Spardrucks 98 000 Beamte und 86 000 Pensionäre auf Nulldiät gesetzt wurden. Kraft, zuvor von den Gewerkschaften gehätschelt, wurde über Nacht zur wortbrüchigen „Lügen-Hanni“.

Minister hält Nullrunde für vertretbar

Gegen den Proteststurm setzte der Finanzminister beharrlich den Hinweis, alternativ zum Sparbeitrag der Beamten müssten 14 300 Stellen im Haushalt gestrichen werden. Bestärkt fühlt sich Walter-Borjans durch den Landesrechnungshof, der wiederholt Kürzungen in den Personaletats verlangte. „Ohne Einschnitte bei den Personalausgaben“, so die Finanzkontrolleure, „wird ein Haushaltsausgleich ohne Schulden bis 2020 nicht gelingen können.“

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Walter-Borjans hält die Nullrunden für Richter, Staatsanwälte oder Studienräte ab Besoldungsstufe A13 auch mit Blick auf die absoluten Zahlen für vertretbar. Hohe Beamte hätten noch immer gegenüber Tarifbeschäftigten mit vergleichbarer Arbeit einen Einkommensvorsprung von 7000 Euro pro Jahr. Das Finanzministerium wertet dies als Beleg, dass „die Gehaltshierarchie“ im öffentlichen Dienst erhalten bleibt. Um die Schuldenbremse einhalten zu können, dürfe man diese Einkommensschere „ein wenig schließen“, findet Walter-Borjans.

Recht auf Besoldungserhöhungen

Das Verfassungsgericht schoss sich bei der mündlichen Verhandlung jedoch auf das „Alimentationsprinzip“ und das „Abstandsgebot“ ein. Ein Beamter, der nicht streiken darf, müsse sich auf Besoldungserhöhungen entlang der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Entwicklung des Landes verlassen können, machte Präsidentin Brandts deutlich.

Das Gericht rechnete zudem vor, dass finanzielle Anreize bei Beförderungen in Schieflage geraten seien. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, Beamten mit höherwertigen Qualifikationen und Aufgaben ein entsprechend höheres Gehaltsniveau zu gewähren. Ein Richter mit zwei Staatsexamen verdient in NRW heute noch 26 Prozent mehr als ein A10-Beamter im gehobenen Dienst. Ob das ausreicht, entscheiden heute Nordrhein-Westfalens höchste Richter.