Berlin. . Bewegung im Postengeschacher um die Spitzenjobs in der Europäischen Union: Sigmar Gabriel steckt zurück und die Sozialdemokraten verzichten auf den Posten in der EU-Kommission, der ihnen - ihrer Lesart zufolge - zusteht. SPD-Mann Martin Schulz soll zum Ausgleich Parlamentspräsident bleiben.

Bisher ließ sich Jean-Claude Juncker nicht aus der Ruhe bringen. Und es sieht so aus, dass sich seine Nervenstärke auszahlen wird und dass der Luxemburger nächster Präsident der EU-Kommission wird. Dazu passt, dass die SPD am Freitag ihren Anspruch auf einen deutschen Kommissarposten aufgegeben hat.

Sie strebt für Martin Schulz keinen Top-Job mehr im Brüsseler Gremium an, sondern seine Wiederwahl als EU-Parlamentspräsident. Nun bleibt die Frage, wie man den britischen Premier David Cameron einfangen will, der Juncker ablehnt. Kommt es beim EU-Gipfel zur Machtprobe, würde Cameron wohl verlieren. Aber muss es überhaupt so weit kommen?

„Eine solche Regel steht nirgends"

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will Cameron inhaltlich entgegen kommen, etwa beim Bürokratieabbau. Nicht unwichtig ist derweil ein personelles Zugeständnis, das sie am Donnerstag andeutete. Es sei nicht zwingend, dass der nächste EU-Ratspräsident aus einem Land käme, dass zum Euro-Raum gehöre: „Eine solche Regel steht nirgends.“

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Der Plan ist, zu Juncker, dem großen Verfechter des Euro, ein Gegengewicht zu schaffen. Das könnte der Ratspräsident sein, bisher der Belgier Herman van Rompuy. Dieser Posten könnte künftig mit einer Person besetzt werden, deren Herkunftsland nicht zur Währungsunion zählt. Wie Dänemark, dessen Regierungschefin Helle Thorning-Schmidt am Donnerstag Merkel im Kanzleramt besuchte. „Ich verstehe voll und ganz, dass die Eurozone ihre Zusammenarbeit verstärken musste. Aber in den nächsten Jahren müssen wir dafür sorgen, dass die EU nicht auseinanderdriftet“, sagte sie.

Die bürgerlichen Parteien stehen hinter Juncker

Die Dänin hat im Gezerre um die Spitzenjobs den Vorteil, dass sie eine Sozialdemokratin ist, so dass der parteipolitische Proporz gesichert wäre – Juncker wird von den bürgerlichen Parteien getragen. Ihre Wiederwahl in Dänemark im Jahr 2015 gilt als ungewiss, und ihr Mann arbeitet in Brüssel. Merkel demonstrierte, wie gut sie sich mit ihrer Kollegin versteht und sorgte für die richtigen Bilder. Die Frauen ließen sich lange auf der Terrasse des Kanzleramts ablichten, „wegen der guten Aussicht“ und der Nähe des Parlaments“, wie Merkel sagte.

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Ein weiterer Spitzenposten ist der des EU-Außenbeauftragten. Hierfür wird der Pole Radoslaw Sikorski gehandelt, jemand aus dem Kreis der jüngeren und östlichen Mitgliedsstaaten. Auch innenpolitisch wären alle zufrieden. Die CDU pocht darauf, dass der deutsche Kommissar Günther Oettinger im Amt bleibt. Das ist der Grund, warum die SPD Martin Schulz aus den Rennen genommen hat. „Die SPD wird einen Kommissar der Union akzeptieren“, sagte Parteichef Sigmar Gabriel „Spiegel online“, „sofern Martin Martin Schulz zum Präsidenten des Europaparlaments gewählt wird.“

Cameron hat den Widerstand noch nicht aufgegeben

Mit Merkel hat er den Plan vereinbart. Nun müssen ihn beide in ihren politischen Familien durchsetzen. Wobei Martin Schulz Spitzenkandidat der Sozialisten war. Gabriel denkt daran, dass Schulz gewählt wird, bevor über den EU-Kommissionspräsidenten entschieden wird. Er soll nicht leer ausgehen, sollte Juncker doch nicht zum Zuge kommen. Fakt ist, dass Cameron den Widerstand nicht aufgegeben hat.

Juncker ist sich angeblich so sicher, dass er schon an der künftigen Kommission bastelt. Es heißt, dass er den Frauenanteil erhöhen will und in Berlin die Idealkandidatin gefunden hat: Ursula von der Leyen. Sie ist europafreundlich – sogar in Brüssel geboren –, aber sie hat in Berlin als Verteidigungsministerin noch eine Aufgabe zu erledigen. Sie regt mal wieder die politische Fantasie an.