Kiew. Das Ultimatum ist abgelaufen - die Verhandlungen brachten kein Ergebnis im Gas-Streit mit der Ukraine. Nach Angaben der EU-Kommission lehnte Russland einen Kompromissvorschlag ab. Gazprom will jetzt nur noch Gas gegen Vorkasse liefern.
Russland liefert nach den bisher erfolglosen Verhandlungen mit der Ukraine Gas nur noch gegen Vorkasse in das wichtigste Transitland für den Energiefluss in die EU. Das teilte der Gasriese Gazprom am Montag in Moskau mit. Gemäß des Vertrages erhalte die Ukraine jetzt nur noch so viel Gas, wie sie vorab bezahle. Grund für den Schritt sei die "chronische Nichtzahlung" von Gasrechnungen, teilte das Unternehmen mit.
Am Montag um 8.00 Uhr MESZ war eine neue Frist Moskaus ausgelaufen, ohne dass die Ukraine ihre Milliardenschulden beglichen hatte. Die Schulden beliefen sich inzwischen auf 4,458 Milliarden US-Dollar (3,290 Milliarden Euro), teilte der russische Staatskonzern mit. Ob Gazprom tatsächlich wie zuletzt 2009 den Gashahn zudreht, war zunächst unklar. Davon wäre dann auch die Versorgung in die EU betroffen.
Die Ukraine hatte Russland zuvor wegen der angespannten Lage im Osten des Landes mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen gedroht. Kiew wirft Moskau vor, Separatisten in der Ostukraine zu unterstützen. Der Kreml weist dies zurück. Der Abschuss eines Militärflugzeuges mit 49 Soldaten an Bord durch prorussische Separatisten hatte auch international Bestürzung ausgelöst. Präsident Petro Poroschenko hat den nationalen Sicherheitsrat für Montag einberufen.
Moskau hatte Vorauszahlungen als Druckmittel genutzt
Moskau hatte bis Montagmorgen 8.00 Uhr (MESZ) die Zahlung von 1,95 Milliarden US-Dollar (rund 1,44 Milliarden Euro) erwartet. Sollte die Ukraine nicht zahlen, seien künftige Vorauszahlungen "eine der möglichen Bedingungen", hieß es. Russland habe die Frist dreimal verlängert und sei nun dazu nicht mehr bereit. Das Treffen galt als letzte Chance.
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Die EU-Kommission teilte mit, Oettinger habe bei dem Gespräch in Kiew einen Lösungsvorschlag unterbreitet. "Die ukrainische Seite war bereit, dies zu akzeptieren, aber die russischen Partner für den Augenblick nicht."
Der Vorschlag sah demnach vor, dass die Ukraine am Montag eine Milliarde US-Dollar an Russland zahlt. Die übrigen offenen Rechnungen hätten bis Ende des Jahres in sechs Raten gezahlt werden sollen, Zahlungen für zukünftige Lieferungen hätten wie vertraglich vereinbart geleistet werden müssen. Im Winter hätte das Land laut Vorschlag 385 US-Dollar pro 1000 Kubikmeter zahlen müssen, im Sommer 300 US-Dollar "oder ein paar Dollar mehr".
Die russische Seite habe aber auf der sofortigen Zahlung von 1,9 Milliarden US-Dollar und einem Gesamtpreis von 385 US-Dollar bestanden. Die EU-Kommission erklärte, sie sei überzeugt, dass eine Lösung weiterhin möglich sei. Sie werde "über die nächsten Schritte nachdenken und darüber, wann sie die (beiden) Seiten wieder zusammenbringen soll". Auch Andrej Kobolew vom ukrainischen Naftogas-Konzern sah nach dem Ende der Verhandlungsrunde Spielraum für weitere Gespräche.
Ukraine wichtigstes Transitland für Energiefluss nach Westen
Die Ukraine ist das wichtigste Transitland für den Energiefluss in den Westen. Ein von Moskau angedrohter Lieferstopp könnte auch die Europäische Union treffen - wie zuletzt 2009. Russland fordert die Tilgung offener Rechnungen für geliefertes Gas, die finanziell angeschlagene Ukraine will aber zunächst einen Rabatt aushandeln.
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Der Streit zwischen Kiew und Moskau dreht sich nicht nur um unbezahlte Rechnungen, sondern auch um den Preis für Gaslieferungen. Derzeit fordert Russland 485,50 US-Dollar je 1000 Kubikmeter. In Verhandlungen hatte Moskau einen Preis von rund 385 US-Dollar angeboten. Die Ukraine will aber nur 268 US-Dollar zahlen. Kiew droht damit, den Streit vor das Schiedsgericht in Stockholm zu bringen. Moskau will in diesem Fall dort eine Gegenklage einreichen.
Nicht nur der Gasstreit belastet die Beziehungen beider Länder. Der ukrainische Außenminister Andrej Deschtschiza warf Russland am Sonntag vor, Nachschub für militante Gruppen über die gemeinsame Grenze nicht zu verhindern. Falls Moskau weiterhin zur Verschärfung der Lage im Osten der Ex-Sowjetrepublik beitrage, müsse die Ukraine die diplomatischen Beziehungen beenden. Moskau bestreitet vehement, Einfluss auf die Separatisten zu haben.
Separatisten lehnen prowestlichen Kurs ab
Die Separatisten wollen die Region von der Ukraine abspalten. Sie lehnen den prowestlichen Kurs der Regierung in Kiew ab und streben einen Beitritt zu Russland an - nach dem Vorbild der Halbinsel Krim. Die Aufständischen halten auch mehrere OSZE-Beobachter gefangen. Der "Bild"-Zeitung zufolge ist unter ihnen auch eine Deutsche. Das Auswärtige Amt wollte sich dazu auf Anfrage nicht äußern. (dpa)