Washington. . Die USA wollen den Ausstoß von Treibhausgasen durch Kohlekraftwerke bis 2030 deutlich verringern. Noch vor der geplanten Vorstellung der Pläne laufen die Republikaner schon dagegen Sturm. Sie malen den Tod einer ganzen Branche an die Wand und die Vernichtung von Hunderttausenden Arbeitsplätzen. US-Präsident Barack Obama aber will die bislang stärksten Maßnahmen gegen Klimawandel und Naturkatastrophen durchsetzen.

In den Kohle-Revieren von West-Virginia und anderen US-Bundesstaaten, die auf den fossilen Brennstoff setzen, war am Montag Weltuntergangs-Stimmung. Mit seinem beispiellos ehrgeizigen Plan, den Kohlendioxid-Ausstoß in Amerika bis zum Jahr 2030 um 30 Prozent unter das Niveau von 2005 zu senken und so den fortschreitenden Klimawandel zu verlangsamen, hat Präsident Barack Obama dem mit Abstand wichtigsten Energieträger indirekt eine Kampfansage erteilt. Umweltschutzverbände wie der Sierra Club und die Vereinten Nationen spendeten dagegen Beifall.

40 Prozent des Stroms in den USA kommt aus der Kohle, gefolgt von Erdgas (39 Prozent) und Atomkraft (19 Prozent). Potenziell stehen nun rund 600 Kohlekraftwerke, im Schnitt 42 Jahre alt und in der Regel umwelttechnisch veraltet, vor dem Aus. Vorausgesetzt, der bislang ambitionierteste Plan dieser US-Regierung zur Eindämmung der Treibhausgase hält dem absehbaren Druck von Teilen der Politik, Wirtschaft und Gerichten stand.

Obama geht taktischen Umweg

Nachdem ihm bei dem ersten Versuch, einen Beitrag zur CO2-Minderung zu liefern, vor fünf Jahren der Kongress die Gefolgschaft verweigert hatte, geht Obama diesmal den Umweg über die staatliche Umwelt-Behörde „Environmental Protection Agency“ (EPA). Der Präsident macht sich dabei ein Bundesgesetz aus den 70er-Jahren zunutze. Der „Clean Air Act“ bietet die Möglichkeit, gesundheitsschädliche Schadstoffe auf Bundesebene verbindlich zu regulieren.

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Bei Quecksilber und Blei ist das bereits geschehen. Künftig soll das auch für Treibhausgase gelten, die ein Drittel der gesamten Emissionen Amerikas ausmachen - dem nach China zweitgrößten Luftverschmutzer weltweit. Obama persönlich stellte den Gesundheitsaspekt seiner Politik heraus. Durch die neuen Grenzwerte würde pro Jahr 100 000 Asthma-Erkrankungen und 2000 Herzinfarkte weniger anfallen, sagte er.

Umweltschutz-Wettbewerb

Die EPA will den 50 Bundesstaaten allerdings verschiedene Instrumente an die Hand geben, um die Vorgaben zu erreichen. Sie können bestehende Kraftwerke energiesparend nachrüsten; was angesichts des Alters der meisten Kohlekraftwerke und der Konkurrenz durch billiges Gas unwirtschaftlich erscheint. Sie können aber auch die Einspeisung von Kohlestrom in die Netze reduzieren und dafür verstärkt auf Sonnen- und Windenergie setzen. Auch ein Handel mit Verschmutzungsrechten nach europäischem Vorbild zwischen einzelnen Bundesstaaten ist denkbar. UN-Klimaschutz-Chefin Christiana Figueres nannte das Modell „lobenswert“.

Daniel Fiorino vom Umweltzentrum der American University in Washington war 30 Jahre bei der EPA. Er findet die Idee, flexibel vorzugehen und einen Umweltschutz-Wettbewerb innerhalb der USA anzuzetteln, „schlau“ und gleichzeitig problematisch. „Individuelle Zielvereinbarungen sind leicht vor den Gerichten anfechtbar“. Zumal in einem politisch extrem aufgeheizten Klima.

Republikaner auf Gegenkurs

Ohne die erst gestern Abend präsentierten Details zu kennen, ging John Boehner, Republikaner-Chef im Repräsentantenhaus, bereits am Sonntag auf Gegenkurs. Er macht sich die Schätzung zu eigen, dass durch die geplante staatliche Regulierung „mindestens 800 000 Arbeitsplätze wegfallen“. Von steigenden Strompreisen ganz zu schweigen. Was Obama plane sei der „gezielte Tod eines ganzen Branche“.

Boehner stützt sich auf Berechnungen der Kohle-Lobby. Danach würde ein Ausschleichen des fossilen Energie-Erzeugers für die Verbraucher im Zeitraum 2018 bis 2033 jährlich Mehrkosten von bis zu 18 Milliarden Dollar bedeuten. Die amerikanische Handelskammer sekundiert: Obamas neue Energie-Politik würde die US-Wirtschaft insgesamt jährlich mit 50 Milliarden Dollar belasten.

Maßnahmen gegen Klimawandel und Dürren

Das Thema ist brisant und daher geeignet, die Halbzeitwahlen im Kongress in diesem November zu beeinflussen, wenn die demokratische Mehrheit im Senat auf dem Spiel steht. Mitch McConnell, Chef der Republikaner im parlamentarischen Oberhaus, nannte die EPA-Pläne bereits eine neue „nationale Energiesteuer“, der sich die Konservativen niemals beugen würden.

Obama hält dagegen. Im jüngsten Bericht zeichnete die Regierung ein düsteres Bild von Amerika, falls nicht kurzfristig radikale Schritte gegen die Erderwärmung und die damit verbundenen Risiken unberechenbarer Wetter-Phänomene unternommen werden. Ein Beispiel: Weite Teile des Landes leiden seit Jahren unter einer Dürre, die Tausende Arbeitsplätze in der Landwirtschaft vernichtet hat. „Das ist nicht irgend so ein fernes Zukunftsproblem“, sagte Obama kürzlich mit Blick auf zahlreiche politische Kräfte, die den Tatbestand der Erderwärmung an sich anzweifeln, „das betrifft die Amerikaner von heute.“

Ein weiter Weg

Sollte das EPA-Programm durchkommen, würden jährlich bis zu 500 Millionen Tonnen CO2 eingespart, sagt die Regierung. Obama könnte Ende 2015 mit breiter Brust zur internationalen Klima-Konferenz nach Paris fahren und die internationale Staatengemeinschaft in Zugzwang bringen.

Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Ein Jahr lang soll nun in Amerika kontrovers diskutiert werden über die neuen Umweltschutz-Pläne. Danach müssen die Gliedstaaten der EPA ihre Pläne vorlegen, wie die Vorgaben umgesetzt werden soll. Im Anschluss ist ein gestaffelter Übergang in die Phase der Verwirklichung vorgesehen.