Essen. Der Klimawandel wird laut UN-Klimabericht die Gefahr von Hunger und Gewalt weiter verstärken. Anpassungen sind zwar noch möglich, müssen aber rasch erfolgen. Vor allem ärmere Länder würden unter der Klimaerwärmung leiden. Chancen auf Änderung stehen trotz allem nicht schlecht.
An dem von Menschen maßgeblich verursachten Klimawandel haben Experten keine Zweifel mehr. Alle Kontinente und Meere des Globus spüren bereits die Auswirkungen. Die Frage ist nicht mehr, ob wir Veränderungen des Klimas mit allen Folgen für Mensch und Natur erleben, sondern wie gravierend die Klimaerwärmung ausfällt. Alles hängt davon ab, wie rasch und wie effektiv die Menschheit gegensteuert. Das ist die Kernbotschaft des neuen Weltklimaberichts, den der Weltklimarat IPCC am Montag in Japan vorstellte. Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Wieso schon wieder ein neuer IPCC-Bericht?
Es geht um den fünften Sachstandsbericht zum Weltklima, der aus drei Teilen besteht. Hunderte Wissenschaftler haben dazu die aktuellsten Forschungsergebnisse geprüft und zusammengefasst. Der erste Teil über die wissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels wurde im vergangenen September präsentiert. In Yokohama wurde nun der zweite Teil vorgestellt. Er befasst sich mit den Folgen der Erderwärmung. Der dritte und letzte Teil wird am 13. April in Berlin veröffentlicht. Darin geht es um Möglichkeiten, den Klimawandel zu bremsen. Der zweite Bericht nennt folgende Schlüsselrisiken:
Das Wasser und die Ozeane:
Steigende Meeresspiegel werden vermehrt zu Überflutungen führen und vor allem stark besiedelte Küstenregionen durch Sturmfluten bedrohen. Besonders betroffen seien kleine Inselstaaten und knapp über dem Meeresspiegel liegende Regionen. Auf sie könnten Kosten von einigen Prozent des Bruttoinlandsprodukts zukommen.
Flüchtlinge und Konflikte:
Die UN-Experten gehen davon aus, dass zukünftig mehr Menschen ihre Heimat verlassen werden, um Dürren, Überschwemmungen, Stürmen und Wasserknappheit zu entkommen. Dies könne das Risiko für Gewaltkonflikte und die Zahl der Flüchtlinge – auch nach Europa – erhöhen.
Landwirtschaft und Ernährung:
Der Weltklimarat hat seine Warnungen in diesem Bereich verschärft. Überflutungen, Starkregen oder Trockenheiten sowie Hitzeperioden werden Einfluss auf die Erträge von Weizen, Reis, Soja und Mais haben. Ohne Anpassungen seien Einbußen um bis zu einem Fünftel im Laufe des Jahrhunderts wahrscheinlich – bei zeitgleich wachsendem Nahrungsmittelbedarf. Zwar könnten einige Regionen profitieren, doch bei einer Erwärmung um zwei Grad seien die negativen Auswirkungen insgesamt größer. Steige die globale Temperatur sogar um vier Grad, sagt der Bericht große Risiken für die Nahrungsmittelsicherheit voraus. Vor allem ärmere Länder würden darunter leiden.
Natur und Arten:
Durch die Erwärmung haben viele Lebewesen bereits ihren Lebensraum verlagert. Für das oft befürchtete massive Artensterben sehen die Experten aber derzeit keine Belege. Dies könne sich in Zukunft aber rasch ändern, da der Klimawandel aus Sicht von Politik und Wirtschaft zwar langsam verläuft, natürliche Prozesse sich aber vergleichsweise rasant verändern.
Die Chancen
Der Bericht schließt mit einer trotz allem optimistischen Perspektive. Es gebe viele Wege, auf den Klimawandel zu reagieren. Breiten Raum geben die Autoren daher möglichen Anpassungsmaßnahmen. Einige Länder hätten hier bereits viel bewegt. Neben Deichbauten, der Ausweisung von Überflutungsgebieten und Umsiedlungen bedrohter Menschen sei vor allem eine energische Verringerung der Treibhausgas-Emissionen nötig.
Barbara Hendricks: Klimawandel ist zentrale Herausforderung der Zukunft
Naturschutz- und Hilfsorganisationen haben den neuen Weltklimabericht als „Weckruf“ für mehr Klimaschutz bezeichnet. Die Menschheit steuere auf eine globale Erwärmung von mindestens vier Grad zu, sagte Oxfam-Klimaexperte Jan Kowalzig zu dem neuen UN-Report. „Dann werden steigende Meeresspiegel, schwindende Ökosysteme, heftigere Umweltkatastrophen und wiederkehrende Dürren zu einem globalen Desaster.“
Christoph Bals von Germanwatch forderte die Europäische Union auf, sich auf „starke Klimaziele“ und eine ausreichende Finanzierung der Klimafolgen zu einigen. „Immer deutlicher wird, dass wir unsere Kinder bei einem ungebremsten Klimawandel dazu verurteilen, auf einer anderen Erde zu leben“, betonte er. Auch „Brot für die Welt“ forderte die Politiker dazu auf, geeignete Maßnahmen gegen die Erderwärmung zu ergreifen.
Vorbereitungen auf Klimafolgen
Nach den Worten von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) zeigt der Bericht, dass der Klimawandel eine zentrale gesellschaftliche Herausforderung ist. „Klimawandel findet täglich statt: Die Menschheit muss sich an die neuen Bedingungen anpassen“, erklärte sie in Berlin. Man müsse beides tun: „Zum einen den Klimawandel bekämpfen und dafür sorgen, dass die Erderwärmung die Zwei-Grad-Marke nicht übersteigt.
Zum anderen müssen wir uns auf die Folgen des unvermeidbaren Klimawandels einstellen.“ Die Bundesregierung nehme die Risiken ernst. Ihr Haus habe bereits eine Anpassungsstrategie und einen Aktionsplan entwickelt, um sich auf die Klimafolgen vorzubereiten. Dies betrifft Hendricks zufolge besonders Verkehr, Landwirtschaft, Wohnen und Gesundheit. Gespräche über ein Sofortprogramm, das bis 2020 wirken soll, könnten bald beginnen.