Essen. Der Klimawandel schreitet voran – und daran hat der Mensch einen großen Anteil. „Die Klimaerwärmung ist eindeutig“, schreiben die Forscher im ersten Teil des neuen Weltklimaberichts. Darin treffen die Wissenschaftler sicherere Annahmen über die Erwärmung der Erde, das Steigen der Meeresspiegel und das Schmelzen der Gletscher als je zuvor. Und stellen klar: Es gibt keine Entwarnung.
Stellt man einen Topf Wasser auf eine heiße Herdplatte, lässt sich mit großer Sicherheit vorhersagen, was passieren wird: Irgendwann kocht es. Schwieriger sind Prognosen darüber, wann und wo die Blasen aufsteigen. Mit diesem Bild vergleichen Wissenschaftler gerne das Klimageschehen. Doch auch was die Blasen angeht – um im Bild zu bleiben –, werden die Modelle und Verfahren immer feiner.
Da ist sich die Forschung sicher: Der Treibhauseffekt geht weiter, die Erderwärmung schreitet voran. Bis zum Ende des Jahrhunderts könnte sich die Atmosphäre im Vergleich zum vorindustriellen Niveau um etwa ein bis fünf Grad erwärmen – je nachdem, wie viel Treibhausgas die Menschheit in dieser Zeit in die Atmosphäre bläst.
Hitzewellen und Stürme
Schnee und Eis in den Bergen und an den Polen tauen schneller, der Dauerfrostboden schmilzt und die Meeresspiegel steigen rascher und höher als erwartet. Sie könnten – je nach Szenario – um 26 bis 98 Zentimeter steigen. Es drohen Hitzewellen, viele Gletscher könnten komplett verschwinden; feuchtere Regionen der Welt müssten mit mehr Niederschlägen rechnen, trockene Gebiete mit mehr Dürrezeiten. Der neue Sachstandsbericht des Weltklimarates, der gestern in Stockholm vorgestellt wurde, lässt sich lesen als Mahnung, dass die Erwärmung das Antlitz der Erde binnen eines Jahrhunderts verändern werde.
Auch interessant
Vor fünf Jahren wurde das Großprojekt gestartet, das Ergebnis ist ein 2000 Seiten starker Bericht des UNO-Klimarates IPCC über die naturwissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels. 840 Wissenschaftler haben weltweit daran mitgearbeitet, den Stand des Wissens über die Umwelt gesichtet und für die Politik aufbereitet.
Sorge der Deichbauer
Einer von ihnen ist Prof. Anders Levermann vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung. Der Klimaphysiker ist Leitautor des Kapitels über den Anstieg der Meeresspiegel. „Der Weltklimarat hat den Auftrag, den wahrscheinlichsten Zustand zu errechnen. Ein Deichbauer aber will wissen, wie schlimm es werden kann, um ganz sicher zu sein. Das macht der IPCC aber nicht.“ Levermann hält die Angaben des IPCC daher für eher vorsichtig. Wenn durch die Erwärmung etwa die Antarktis „instabil“ werde und mehr Eis ins Meer rutscht, werde der Spiegel noch deutlicher ansteigen.
Ein Anstieg des Pegels um einen knappen Meter würde viele Küstenstädte wie Hamburg oder New York bedrohen, zumal sich Sturmfluten dann noch verheerender auswirken könnten. Levermann: „Der Meeresspiegel wird nicht aufhören zu steigen. Wir haben etwas in Gang gesetzt, das uns noch viele Hundert Jahre beschäftigen wird. Wir können aber noch beeinflussen, wie weit er steigt.“ In spätestens fünf Jahren müsse daher der Kohlendioxid-Ausstoß auf dem Weg nach unten sein. Dafür müsse die Energieproduktion der Erde radikal umgebaut werden – und zwar je eher desto besser.
Trügerische Pause
Auch dass die Temperatur in den vergangenen 15 Jahren nicht weiter angestiegen ist, sei kein Grund zur Beruhigung. „Wir wissen, dass die tiefen Ozeane sehr viel Energie speichern. Irgendwann gibt das Wasser die Wärme aber wieder an die Luft ab – und dann geht die Kurve umso schneller nach oben“, erklärt Anders Levermann.
Der jetzt präsentierte Report ist nur der erste Teil von dreien. Teile zwei und drei konzentrieren sich auf die Auswirkungen des Klimawandels und die Möglichkeiten, ihn zu bremsen. Die Dokumente sind eine wichtige Grundlage für die politischen Verhandlungen über ein globales Klimaschutzabkommen. Der nächste Weltklimagipfel findet im November in Warschau statt.