Essen. Die Stadt hat für den Superwahltag am 25. Mai rund 15 000 Standorte genehmigt, vielfach Straßenlaternen, die meist doppelt und dreifach genutzt werden. Das Stadtbild hat sich total verändert. Parteien weichen neuerdings sogar in Nebenstraßen aus, was nicht erlaubt ist.
Ob Wahlkampfplakate tatsächlich beim Wahlvolk wirken, ist strittig. Aber eines ist sicher: Die Essener Parteien müssen davon fest überzeugt sein. Auch altgediente Beobachter können sich nicht erinnern, bei Wahlkämpfen jemals so viele Plakate auf den Straßen gesehen zu haben, wobei nicht Großplakate das Bild bestimmen, sondern die Intensivnutzung von Masten und Straßenlaternen. Zu beobachten ist auch das unerwünschte Einsickern von Plakatserien in Nebenstraßen.
„Habe es mir schlimmer vorgestellt“
„Wir haben den Parteien eine Liste von Hauptverkehrsstraßen zukommen lassen, auf denen plakatiert werden darf“, sagt Wahlamtsleiter Rüdiger Lohse. Und angesichts der Doppelwahl, bei der so viele Parteien wie noch nie antreten, ist Lohse eigentlich sogar positiv überrascht: „Ich habe es mir schlimmer vorgestellt, kommt vielleicht noch.“ Bei der Europawahl werben 24 Parteien um Stimmen, bei der Kommunalwahl sind es je nach Stadtbezirk zwischen 17 und 19. Die beobachten sich eifersüchtig und schaukeln sich gegenseitig hoch: Wo die eine Partei ist, ziehen andere rasch nach.
Rund 15.000 Standorte für Wahlwerbung hat die Stadt freigegeben. Da die meisten Laternen doppelt, viele sogar dreifach belegt sind, darf man die Zahl der Plakate wohl auf 30.000 schätzen - mindestens. Weitere werden noch kommen, denn einige kleinere Parteien wie die Essener Linken und die FDP sind noch kaum präsent. Schon jetzt sind einige Stellen aber überlastet, an der Rüttenscheider Straße etwa müssen Radfahrer sich sehr vor tiefergelegten Wahlplakaten in Acht nehmen.
„Schön ist das alles nicht, aber ich buche es unter Kosten der Demokratie ab“, sagt Rolf Krane, als Chef der IG Rüttenscheid auch ums Ortsbild bemüht. Krane graut es eher vor den Wochen nach dem Superwahltag am 25. Mai, wenn erfahrungsgemäß nicht alles wieder eingesammelt wird. „Wir haben Plakate öfter in eigener Initiative beseitigt, aber wir können nicht in jede Nebenstraße.“ Theoretisch kann die Stadt die Parteien für Versäumnisse finanziell belangen, aber theoretisch sind auch die Nebenstraßen tabu... Die Praxis sieht anders aus. „Und die Kabelbinder bleiben manchmal Jahre an den Laternen“. weiß Krane.
Das Laternenplakatieren ist technisch einfach
Essens CDU-Geschäftsführer Norbert Solberg hat mitunter Sehnsucht nach den alten Zeiten, als die Parteienlandschaft übersichtlich war. „Da hat jede Partei 300 Dreieckständer bekommen - fertig.“ Gerichte haben solche Absprachen kassiert, die Ständer sind allerdings auch technisch ausgestorben. Das Anbringen von Plakaten an Laternen ist mit etwas Übung einfach, sodass drei, vier Freiwillige in einer Nacht einen ganzen Stadtteil optisch verändern können. „Keine Partei ist davor gefeit, dass Leute auch mal etwas mehr tun als erlaubt“, wirbt Solberg um Verständnis.
So muss man wohl auch ein Plakat der Grünen bewerten, das kaum zufällig und bestenfalls halblegal am Fußweg zwischen Grugahalle und Messehaus Ost prangt. Man sieht ein Foto der Messe und den Spruch „Bürgerbeteiligung? Ja, bitte“.