Berlin. . In der Ukraine-Krise setzt Angela Merkel auf Telefondiplomatie mit Barack Obama und Wladimir Putin. Auch in den Oster-Urlaub nimmt die Kanzlerin ein abhörsicheres Telefon mit. Nicht nur für diese brisanten Gespräche mit den Staatschefs der USA und Russlands gelten strenge Regeln.

„Stellen’se mich mal zu Putin durch!“ In der Ukraine-Krise setzen die Staatschefs auf Telefondiplomatie. Das jüngste Krisengespräch zwischen US-Präsident Barack Obama und Russlands Präsidenten Wladimir Putin blieb ohne greifbares Ergebnis. Auch die Bundeskanzlerin telefoniert viel – Merkel nimmt ihre abhörsichere Anlage sogar mit in den Osterurlaub.

Spezialist für Putin

Auf Merkels Schreibtisch im Kanzleramt stehen zwei Telefone: Will sie mit Obama, Putin oder einem anderen Staatschef reden, benutzt die Kanzlerin den abhörsicheren Apparat. Über einen zweiten Telefonhörer kann ein Dolmetscher mithören. Auch im Urlaub hat die Kanzlerin immer ein abhörsicheres mobiles Büro dabei. Wenn nötig, werden die Dolmetscher dann aus Berlin zugeschaltet.

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Will die Kanzlerin mit Washington oder Moskau sprechen, stellt Merkels außenpolitischer Chefberater Christoph Heusgen den Kontakt her – umgekehrt landen auch die Telefonwünsche anderer Staatschefs auf seinem Tisch. Ist man sich einig, stellen Sicherheitsleute im Lagezentrum im vierten Stock des Kanzleramtes, in einem abhörsicheren Raum drei Etagen unter Merkels Büro, die Verbindungen mit den ausländischen Regierungschefs her. Sie haben die Telefonnummern von Staatslenkern aus der ganzen Welt. Und sie müssen einspringen, wenn wieder eine Verbindung zusammenbricht. Dann heißt es: „Frau Bundeskanzlerin, Ihr Gesprächspartner ist nicht mehr in der Leitung.“

Dolmetscher kennen ihr Gegenüber gut

Telefonate mit anderen Staatschefs werden prinzipiell gedolmetscht – auch wenn Angela Merkel sehr gut Russisch und Englisch spricht. Die Dolmetscher des Außenministeriums stehen auf Abruf bereit, oft bleibt keine Zeit für Vorbereitungen: „In einer Viertelstunde im Kanzleramt.“

Beim Sprachendienst gibt es deswegen Experten für einzelne Staatschefs – wer seit Jahren Wladimir Putin übersetzt, weiß, wie er denkt und formuliert. Auch in der Sache müssen sie sich auskennen – „man braucht die Hintergründe, über das Land, die aktuelle Lage, aber auch weltpolitisch“, heißt es bei den Übersetzern. Doch trotz Erfahrung wiegt die Verantwortung schwer: Ein falscher Satz und die Stimmung ist im Eimer. „Ganz schön schweißtreibend“, findet das mancher Dolmetscher. Mehr dürfen sie dazu nicht sagen: Schweigepflicht. Wer etwas ausplaudert, fliegt raus. Das ist schon vorgekommen.

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„Ich bin in dauerndem Kontakt mit sehr vielen“, sagt Merkel zu ihrer Telefondiplomatie in der Ukraine-Krise. Zu vielen Staatschefs ist das Verhältnis vertraut, auch Putin nennt sie beim Vornamen. Was wirklich besprochen wird, ist oft unklar. „Zu Telefonaten sage ich generell nichts“, so die Kanzlerin.

Unterschiedliche Erinnerungen

Die amtlichen Verlautbarungen sind knapp, geben oft auch nur eine Seite wieder. Als Merkel und Putin vor Kurzem telefonierten, berichtete das Bundespresseamt anschließend vorwiegend über Merkels Vorwurf, Russland habe gegen Völkerrecht verstoßen. Die russische Seite schwieg dazu und erklärte stattdessen öffentlich nur, Putin habe Merkel auf die Gefahr für russische Bürger auf der Krim aufmerksam gemacht und die ergriffenen Maßnahmen als angemessen bezeichnet.

Vor wenigen Wochen hatte ein Telefonat für Aufsehen gesorgt, von dem Merkel berichtete, Putin habe einen Teilrückzug der russischen Armee von der ukrainischen Grenze angekündigt – später stellte sich heraus, dass Putin die Kanzlerin mit vagen Absichtserklärungen eher getäuscht hatte.

Und für Irritationen sorgte auch, als die New York Times berichtete, Merkel habe in einem Telefonat mit Obama gesagt, Putin habe den Sinn für die Realität verloren und handle, als lebe er in einer anderen Welt – was Merkels Sprecher später nicht bestätigen mochte.

In der Kuba-Krise

Die Telefondiplomatie zur Abwendung von Krisen hat ihre Bedeutung nach der Kuba-Krise 1962 gewonnen. Als Folge des Beinahe-Atomkriegs vereinbarten US-Präsident John F. Kennedy und der sowjetische KP-Chef Nikita Chruschtschow, ein sogenanntes Rotes Telefon einzurichten – die Direktleitung war anfangs aber gar kein Telefon, sondern eine Fernschreiberverbindung zwischen Weißem Haus und Kreml. Vor allem in den Nahostkrisen oder beim sowjetischen Einmarsch in Afghanistan spielte der heiße Draht eine wichtige Rolle.