Washington/Moskau. Darf einer Top-Diplomatin so etwas passieren? Die Beziehungen zwischen den USA und der EU sind seit dem NSA-Skandal ohnehin lädiert. Da kommt es ungelegen, wenn sich eine hohe US-Diplomatin verplappert. So ist es jetzt geschehen: Ausgerechnet die US-Europabeauftragte schimpft am Telefon auf die EU. Und der Mitschnitt landet auf Youtube.

Eine verbale Entgleisung einer amerikanischen Top-Diplomatin droht die Beziehungen zwischen den USA und der EU weiter zu belasten. In einem Tonbandmitschnitt, den Unbekannte auf YouTube veröffentlichten, sagte die Abteilungsleiterin für Europafragen, Victoria Nuland, abfällig über die Europäische Union: "Fuck the EU."

Jetzt spitzt sich die diplomatische Verstimmung zu: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat am Freitagmittag mit deutlicher Kritik auf die verbale Entgleisung der US-Spitzendiplomatin reagiert. Merkel halte die Äußerung für "absolut inakzeptabel", sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Wirtz. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton mache hervorragende Arbeit, und die EU werde sich weiter bemühen, die Lage in der Ukraine zu beruhigen.

Die Äußerung der US-Diplomatin fiel in einem vertraulichen Telefongespräch Nulands mit dem US-Botschafter in der Ukraine, Geoffrey Pyatt, in dem es über Lösungsansätze zur Beilegung der Krise in Kiew ging.

US-Außenministerium zweifelt nicht an Echtheit des Mitschnitts

Das US-Außenministerium zweifelte am Donnerstag nicht an der Echtheit des Mitschnitts. "Ich sage nicht, dass dies nicht authentisch ist. Ich meine, dabei sollten wir es belassen", sagte US-Außenamtssprecherin Jen Psaki auf Fragen von Journalisten.

Die Diplomatin entschuldigte sich nach Angaben des US-Außenministeriums bei ihren europäischen Partnern. Im Auswärtigen Amt in Berlin ist nach Angaben eines Sprechers keine Entschuldigung eingegangen. Die "geeignete Adresse" dafür wäre aber auch die EU. Mit Blick auf den heimlichen Mitschnitt des Telefonats sagte der Außenamtssprecher, dies zeige einmal mehr: "Abhören ist halt blöd."

Gespräch hat bereits vor Tagen stattgefunden

Zugleich beschuldigten das State Department und das Weiße Haus Russland, hinter der Veröffentlichung des bereits vor Tagen geführten Gesprächs zu stehen. "Dies ist ein neuer Tiefstand der russischen Spionagetaktik", meinte Psaki.

In dem Gespräch begrüßte es Nuland, dass sich auch die Vereinten Nationen in die Ukraine-Krise einschalten. "Das wäre großartig." Sie "könnten helfen, diese Sache zu Ende zu bringen". Dann fielen die abfälligen Worte in Richtung Europa: "Fuck the EU."

Diplomatin äußert Kritik an Vitali Klitschko

Zugleich kritisierte Nuland die Rolle des ukrainischen Oppositionspolitikers und Ex-Boxweltmeisters Vitali Klitschko. "Ich glaube nicht, das Klitschko in die Regierung soll. Ich glaube, das ist nicht notwendig. Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist."

Nuland hielt sich am Donnerstag in Kiew auf, wo sie mit dem ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch sprach. Dieser deutete neue Zugeständnisse an. Der Staatschef sei ein "Anhänger" einer baldigen Verfassungsänderung, betonte die Präsidialkanzlei nach dem Treffen Janukowitschs mit Nuland.

Die Suche nach den Hintermännern läuft

Inzwischen hat die Suche nach den Hintermännern des heimlichen mitgeschnittenen Telefonats begonnen. Ein Referent des russischen Vizeregierungschefs Dmitri Rogosin stritt jede Verantwortung ab. "Allein die Tatsache, dass ich reagiert habe, wird genutzt, um Russland die Schuld zu geben", schrieb Dmitri Loskutow in der Nacht auf Freitag bei Twitter.

Die USA hatten Russland beschuldigt, hinter der Veröffentlichung zu stehen. Eine offizielle russische Reaktion lag zunächst nicht vor. Das Außenministerium lehnte eine telefonische Stellungnahme ab. (dpa)