Düsseldorf. Garzweiler II reißt nicht nur Risse durch die rheinische Region. Auch in den Ortschaften, zwischen den Parteien und sogar in eigenen Reihen ist die Zukunft des Braunkohletagebaus umstritten. Regierungschefin Kraft kann nicht alle SPD-Abgeordneten hinter sich bringen.
Trotz der Verkleinerung des Braunkohletagebaus Garzweiler II sind die Arbeitsplätze in der Region aus Sicht der nordrhein-westfälischen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) sicher. Auch die Energieversorgung in NRW und in Deutschland werde durch die Entscheidung ihrer Regierung nicht gefährdet, sagte Kraft am Mittwoch im Düsseldorfer Landtag.
Der in den nächsten Jahrzehnten notwendige Strukturwandel in der rheinischen Braunkohleregion werde begleitet und könne ohne soziale Brüche bewältigt werden. "Das Land wird die Region nicht im Stich lassen."
Sechs SPD-Abgeordnete aus dem rheinischen Braunkohle-Revier distanzierten sich in einer gemeinsamen Erklärung von dem Beschluss der rot-grünen Koalitionsspitzen, auf die Umsiedlung von über 1400 Menschen der Erkelenzer Ortschaften Holzweiler, Dackweiler und des Gutes Hauerhof zu verzichten. Die Entscheidung sei verfrüht, sagte Guido van den Berg aus dem Rhein-Erft-Kreis. Allerdings sei auch die Behauptung von CDU und FDP falsch, dass der Beschluss Zehntausende Arbeitsplätze gefährde.
Piraten fordern Braunkohle-Ausstiegsgesetz
Auch CDU und FDP argumentierten in einem gemeinsamen Antrag, der Umsiedlungsverzicht sei unnötig und voreilig, weil niemand sagen könne, in welchem Tempo die Wende zu erneuerbaren Energien gelinge und wie lange die Braunkohle noch gebraucht werde. Die Piraten forderten dagegen ein Braunkohle-Ausstiegsgesetz.
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SPD-Fraktionschef Norbert Römer betonte: "Im gesamten rheinischen Revier wird es bis Mitte dieses Jahrhunderts noch Braunkohlebergbau geben - in Garzweiler über das Jahr 2030 hinaus." Das bedeute Planungssicherheit für Unternehmen und soziale Sicherheit für 35.000 Arbeitnehmer, die hier direkt und indirekt mit dem Braunkohletagebau verbunden seien. Klar sei aber auch: "Der Bedarf an Braunkohle wird sinken."
Lindner spricht von "De-facto-Ausstieg aus der Braunkohle"
Das Argument von CDU und FDP, Arbeitsplätze und Energieversorgung würden gefährdet, um den rot-grünen Koalitionsfrieden zu sichern, sei absurd, sagte Grünen-Fraktionschef Reiner Priggen. Tatsächlich hätten die Tagebaue Garzweiler, Hambach und Inden noch 3,2 Milliarden Tonnen Braunkohlereserven. Dieses Potenzial könnte noch 29 Jahre gefördert werden.
So viel Planungssicherheit gebe es in keinem anderen Industriebereich, sagte Kraft. Priggen fragte die Opposition: "Glauben Sie, dass Thyssen seinen Stahlarbeitern 29 Jahre gleiche Produktion garantiert - oder Autohersteller? Das gibt es nirgendwo."
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FDP-Landtags- und Parteichef Christian Lindner sprach dagegen von einem "De-facto-Ausstieg aus der Braunkohle". Kraft manövriere das Land "auf eine energiepolitische Geisterfahrt" und gefährde zulasten des letzten subventionsfreien, heimischen, rentablen Energieträgers die Investitionssicherheit in NRW, um sich bei den Grünen Zustimmung zu anderen Projekten zu erkaufen. "Sie verkaufen ihre sozialdemokratische Identität an ihren Grünen-Koalitionspartner."
CDU will nicht an Garzweiler-Entscheidung rütteln
Auch CDU-Fraktions- und Landesparteichef Armin Laschet betonte, die Braunkohle sei auf dem Weg der Energiewende unverzichtbar, weil der Strombedarf in Deutschland auf absehbare Zeit nicht ohne Kohle zu decken sei. Laschet garantierte aber den Ortschaften, die nun von Umsiedlung verschont werden, nicht an der Entscheidung zu rütteln, falls die CDU 2017 die Landtagswahl gewinne. "Die Sicherheit geben wir Ihnen."
Bis Mitte des nächsten Jahres will die Landesregierung in einer Leitentscheidung definieren, wie es mit dem rheinischen Revier weitergeht. Dort würden Festlegungen zu Kohlefördermengen, CO2-Emissionen aus der Braunkohleverstromung, Effizienzsteigerung des Kraftwerksparks und zum Ausbau erneuerbarer Energien getroffen, kündigte Kraft an. Die Landesregierung habe zudem bereits eine Initiative auf den Weg gebracht, um mit Wissenschaftlern, Unternehmen, Gewerkschaftern, Kommunen und Kammern neue Perspektiven für die Region zu entwickeln. (dpa)