Berlin. . Oft bemängelt im Zuge der Krim-Krise: Deutschlands Anhängigkeit von russischer Energie. Doch die Bundesrepublik kann die russischen Gas- und Öl-Importe nur schwer ersetzen. Sie selbst produziert zu wenig - und andere Länder können ihre Liefermengen mittelfristig nicht beliebig erhöhen.
Wegen der Ukraine-Krise hat in Deutschland eine neue Energie-Debatte begonnen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Devise ausgegeben, die „gesamte deutsche Energiepolitik neu zu betrachten“. Diese Aufforderung sorgte vor dem Energiegipfel von Bund und Ländern am heutigen Dienstag für reichlich Diskussionsstoff. Im Zentrum die Frage: Könnten Deutschland und Europa ihre Erdöl-, Erdgas- und Kohle-Importe aus Russland ersetzen?
Erdgas
Nur etwa 15 Prozent seines Gasverbrauchs kann Deutschland mit konventioneller Förderung selbst decken, so der Bundesverband der Energiewirtschaft (BDEW). Ein gutes Drittel der Importe kommt aus Russland, der größere Teil der Einfuhren aus Norwegen und den Niederlanden. Diese Staaten könnten ihre Lieferungen per Pipelines kurzfristig zwar steigern, langfristig aber kaum, weil die eigenen Vorkommen zur Neige gehen, sagen Fachleute wie Steffen Bukold (Energycomment) und Eugen Weinberg (Commerzbank).
Flüssiggas
Eine Alternative wäre der Import von gekühltem und verflüssigtem Erdgas per Tanker aus den USA, Algerien, Katar oder anderen Staaten. Dazu sagt Kirsten Westphal von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), die das Außenministerium berät: „Kurzfristig lassen sich keine relevanten Mengen Flüssiggas auf dem Weltmarkt beschaffen.“ Das Angebot sei knapp – unter anderem, weil Japan nach der Atomkatastrophe von Fukushima viel Gas importiere. „Wollte Deutschland mittel- und langfristig zusätzliche große Gasmengen kaufen, müsste man mit stark steigenden Preisen rechnen“, so Kirsten Westphal.
Fracking
Mit der Methode der unkonventionellen Erdöl- und Gasförderung, bei der Wasser und Chemikalien in tiefe Gesteinsschichten gepresst werden, haben die USA großen Erfolg. Der dortige Großhandelspreis für Gas liegt weit unter europäischem Niveau, die Fördermenge ist stark gestiegen. Wegen Hunderttausender neuer Arbeitsplätze ist sogar von einer Reindustrialisierung die Rede.
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Allerdings gibt es auch Warnungen: Werner Zittel von der Energy Watch Group, einem internationalen Wissenschaftler-Netzwerk, prognostiziert, dass die Fracking-Erträge bald wieder sinken. Zurückgehende Investitionen in neue Bohrstellen in den USA würden heute schon andeuten, dass die unkonventionellen Quellen sich schneller erschöpfen als erhofft. Dennoch fordern Wirtschaftspolitiker wie Peter Ramsauer (CSU), die Technik auch in Deutschland in Erwägung zu ziehen. Besonders in NRW ist Fracking ein Thema. Hier lagern große Mengen an Fracking-fähigem Gas. Allerdings hat die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag Fracking so lange ausgeschlossen, wie dabei giftige Substanzen verwendet werden.
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) lässt dazu gerade einen Entwurf des Wasserhaushaltsgesetzes erarbeiten. SWP-Expertin Westphal sagt: „Fracking in Europa würde vermutlich keine riesigen Gasmengen zur Verfügung stellen, könnte aber sinnvoll sein, um die abnehmende heimische Förderung konventionellen Gases zu ersetzen.“
Kohle
Bei der Steinkohle hat Deutschland kaum noch eigene Vorräte. Anders sieht das bei der Braunkohle aus. Noch 2009 hielt Deutschland den Spitzenplatz bei der Förderung weltweit. Zu gegenwärtigen Preisen könnte die Förderung noch über 200 Jahre weitergehen – oder auch gesteigert werden.
Aber auch diese Technik hat ihren Preis: Die Emission klimaschädlicher Gase ist enorm. Das und der Flächenfraß sind die Gründe für die ständige Auseinandersetzung um den Braunkohle-Tagebau in Deutschland. Die rot-grüne NRW-Landesregierung hat gerade beschlossen, den Tagebau Garzweiler II zu verkleinern. Die rot-rote Landesregierung in Brandenburg ist da weniger zimperlich. Neben den vier existierenden stehen dort fünf weitere Gebiete für neue Tagebaue auf der Liste.