Berlin/Brüssel. Am Montag hatte Russlands Regierungschef Wladimir Putin angekündigt, russische Militär-Einheiten von der Grenze zur Ukraine abzuziehen. Davon ist bislang noch nichts zu sehen. Jetzt will die Nato ein wenig Druck machen - schon um die Bündnispartner zu beruhigen.
Warten auf Entspannung: Der von Moskau angekündigte Abzug russischer Einheiten von der Grenze zur Ukraine ist bis Dienstag noch nicht erkennbar gewesen. Das verlautete übereinstimmend aus Brüssel, Berlin und Washington. Dafür will die Nato im Osten Flagge zeigen. Wie Nato-Diplomaten in Brüssel erklärten, sollten unter anderem sechs deutsche Jagdflugzeuge zur erweiterten Luftraumüberwachung nach Litauen verlegt werden. Details wollten die Nato-Außenminister am Nachmittag in Brüssel klären. Moskau verstärkte indes den Druck auf Kiew und erhöhte die Gaspreise.
Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen widersprach in Brüssel Berichten über einen Teilabzug russischer Truppen aus dem Grenzgebiet zur Ukraine. "Bedauerlicherweise kann ich nicht bestätigen, dass Russland seine Truppen abzieht", sagte er am Dienstag am Rande eines Treffens der Nato-Außenminister. "Das ist nicht, was wir sehen."
Abzug wäre "kleines Zeichen der Deeskalation"
Zuvor schon hatte Außenminister Frank-Walter Steinmeier bei einem Treffen mit seinen polnischen und französischen Kollegen in Weimar erklärt, dass es noch keine gesicherten Erkenntnisse über einen Abzug russischer Truppen gebe. "Würde das im Laufe dieses heutigen Tages nachweisbar sein, wäre das ebenfalls ein kleines Zeichen der Deeskalation, ein kleines Zeichen der Entspannung", sagte Steinmeier am Dienstag nach dem Gespräch mit Laurent Fabius (Frankreich) und Radoslaw Sikorski (Polen) in Weimar. Kremlchef Wladimir Putin hatte Kanzlerin Angela Merkel nach Angaben der Bundesregierung am Montag über den von ihm angeordneten Teilrückzug informiert.
Auch Washington reagierte verhalten auf die Angaben Moskaus. "Wir können das bislang nicht erkennen", sagte Regierungssprecher Jay Carney in Washington. "Aber falls sich das als richtig herausstellt, wäre das eine gute Sache."
Deutschland ist zur Entsendung von sechs Jagdflugzeugen ins Baltikum bereit. Die Maschinen sollen zur verstärkten Überwachung des Luftraums der drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen eingesetzt werden. Nach Angaben von Nato-Diplomaten vom Dienstag in Brüssel traf eine entsprechende Mitteilung der Bundesregierung in der Nato-Zentrale ein. Außerdem stellte Deutschland die Entsendung eines Minenräumschiffes in die östliche Ostsee in Aussicht.
Polen will Stationierung von schweren Brigaden
Wann die deutschen Eurofighter auf dem litauischen Flugplatz Siauliai stationiert werden, wird vom militärischen Oberkommandeur, dem US-General Philip Breedlove, entschieden. Die Nato überwacht seit 2004 im Rotationsprinzip der Mitgliedstaaten den Luftraum der baltischen Staaten. Diese haben keine eigenen Kampfflugzeuge.
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Obwohl die Nato im Streit mit Moskau eine Eskalation möglichst verhindern will, setzt sich Polen weiterhin für eine umfangreiche Truppenverlagerung des Bündnisses in die östlichen Mitgliedstaaten als Reaktion auf die Krim-Krise ein. Außenminister Sikorski sagte in Weimar, er wünsche sich die Stationierung von zwei schweren Brigaden in Polen. Zu einer Brigade zählen bis zu 5000 Soldaten.
Vor dem Außenministertreffen in Brüssel betonte Steinmeier, er sehe keine Perspektive für einen Nato-Beitritt der Ukraine. Er könne sich eine engere Kooperation mit Kiew in der Nato-Ukraine-Kommission vorstellen, sagte er am Dienstag in Weimar. "Einen Weg in die Mitgliedschaft in der Nato sehe ich nicht." In der Bundesregierung sei diese Haltung aber noch nicht förmlich abgestimmt.
Hohe Schulden der Ukraine bei Russland
Russland hat im Konflikt mit dem Nachbarland wegen der Milliardenschulden der Ukraine zum Beginn des neuen Monats die Gaspreise um 30 Prozent erhöht. Für die Lieferungen gelte ab sofort der alte Tarif von 385,5 US-Dollar (280 Euro) je 1000 Kubikmeter Gas, sagte der Chef des russischen Energieriesen Gazprom, Alexej Miller. Er begründete den Wegfall eines bisher gewährten Rabatts mit ukrainischen Schulden von 1,711 Milliarden US-Dollar, wie die Agentur Interfax meldete.
Nach einer Schießerei in Kiew hat das ukrainische Parlament am Dienstag die Entwaffnung paramilitärischer Gruppen wie des gewaltbereiten Rechten Sektors angeordnet. Die Oberste Rada beauftragte den Geheimdienst und das Innenministerium, gegen die zumeist ultranationalistischen Organisationen vorzugehen. Bei dem Zwischenfall am Vorabend waren drei Menschen verletzt worden. Ein Aktivist des Rechten Sektors hatte nach einem Streit betrunken eine Waffe gezogen und um sich geschossen. (dpa)