Berlin. . Der Bundestags-Innenausschuss hat am Mittwoch in einer Marathon-Sitzung versucht, Licht ins Dunkel der Edathy-Affäre zu bringen: BKA-Präsident Jörg Ziercke bestritt vor dem Gremium jegliches Fehlverhalten bei seinem umstrittenen Telefonat mit SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann.
Bereits im Oktober 2011 hätte das Bundeskriminalamt dem SPD-Politiker Sebastian Edathy auf die Schliche kommen können. Doch zwei Jahre lang konnte das BKA mit dem Namen wenig anfangen – erst die Polizeidirektion in Edathys Heimat Nienburg horchte auf, als der Name bei Ermittlungen in der pädophilen Szene auftauchte. So schlug im Oktober 2013 die Nachricht vom Verdacht gegen den Abgeordneten „wie eine Bombe ein“, erzählte BKA-Präsident Jörg Ziercke vor dem Innenausschuss im Bundestag.
Begonnen hatte alles im Jahr 2010 in Kanada. Die Behörden stellten eine Kundendatei sicher. Aus der ging hervor, wer bei einer Internet-Firma Bildmaterial von Kindern gekauft hat, teils Nacktfotos, teils Pornografie. Die Spuren der „Operation Spade“ führten bis nach Deutschland: Im Oktober 2011 stellten die Kanadier dem BKA reichlich Beweismaterial zur Verfügung. Es geht um rund 800 Besteller. Darunter auch Edathy.
BKA hatte in Ermittlungen 300 Fälle zurückgestellt
Beim BKA in Wiesbaden konzentrierte man sich auf die Taten, ging die Fotos durch, ordnete sie ein. Eine erste Kategorie umfasste die klar strafbare Kinderpornografie, rund 500 Fälle. Sie hatten Vorrang. In eine zweite Kategorie fielen die Bilder von nackten Kindern. Sie sind nicht direkt verboten. Aus Erfahrung weiß man aber, dass Leute, die solche Fotos kaufen, oft auch Härteres erwerben.
Diese zweite Kategorie, 300 Fälle, wurde zurückgestellt, auch weil das BKA ein anderes Massenverfahren abschließen wollte. Es war schon November 2012, als das BKA aktiv wurde und die 16 Landeskriminalämter um Hilfe bat.
Dann verging noch ein Jahr, bis das LKA Niedersachsen die Kollegen in Nienburg einschaltete. Sie sollten die Adresse eines gewissen Sebastian Edathy überprüfen. Wie das BKA schaltete aber auch das LKA nicht. Es war der 15. Oktober 2013, und in Nienburg zog die örtliche Polizei die Verbindung zum Abgeordneten. Um 15.21 Uhr meldete sie dem BKA ihren Verdacht. 24 Minuten später landete die brisante Meldung auf Zierckes Schreibtisch.
CSU wettert über "Genossengeschwätz" der SPD-Führung
Am nächsten Tag informierte der Präsident in Berlin Innen-Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche. Dazu ist das BKA in wichtigen Fällen, gerade mit politischem Bezug, verpflichtet. Fritsche weihte Minister Hans-Peter Friedrich (CSU) ein, der wiederum SPD-Chef Sigmar Gabriel warnte. Nun begann, was CSU-Mann Hans-Peter Uhl „Genossengeschwätz“ nennt. Gabriel erzählte es Frank-Walter Steinmeier und Thomas Oppermann.
Wie geschwätzig es in der Politik zugeht, merkte Ziercke, als die Information nur 48 Stunden später wieder bei ihm landete. Oppermann rief an. Ziercke war überrascht, vom SPD-Fraktionsmanager hatte er seit Jahren nichts gehört. Der Mann aus Berlin trug vor, was er von Gabriel wusste und wollte die Information prüfen. Ziercke hörte zu. Nach drei Minuten sagte er: „Ich will das nicht kommentieren.“ Oppermann entgegnete: „Ich will Sie nicht in Schwierigkeiten bringen.“ Er hatte verstanden: Ziercke hat nichts dementiert, also ist alles wahr.
Ziercke beharrt heute darauf, dass er kein Geheimnis verraten hat und Oppermann nichts unternommen habe, um ihn dazu zu verleiten. So stellen es beide da. Das ist ihre juristische Verteidigungslinie.
An jenem 17. Oktober begann eine Lunte zu glimmen. Sie wird zum Rücktritt Friedrichs führen, weil er ein Dienstgeheimnis verriet. Die Union ärgert, dass Gabriel die Vertraulichkeit brach. Nach ihrer Ansicht hat Friedrich die Regierung vor Schaden bewahrt. Auch das ist juristisch wohl bedacht. Falls die Staatsanwaltschaft gegen Friedrich vorgehen sollte, muss sein Amtsnachfolger Thomas de Maizière (CDU) ihr eine Ermächtigung erteilen.
Er muss abwägen, was den größeren Schaden verursacht – die damalige Indiskretion oder ein Strafverfahren.