Berlin. Der Fall Edathy setzt der Großen Koalition mächtig zu. Jetzt hat sich der ehemalige Bundestagsabgeordnete selbst zu Wort gemeldet. Er streitet den Kontakt zu Tippgebern vehement ab. Derweil fordert die Union eidesstattliche Erklärungen von SPD-Kollegen.

Die Affäre Edathy hat die schwarz-rote Koalition in eine schwere Vertrauenskrise gestürzt. Die CSU legte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann am Sonntagabend den Rücktritt nahe. "Neben dem juristischen Hin und Her gibt es eine klare politische Verantwortung. Die muss Oppermann übernehmen", sagte Generalsekretär Andreas Scheuer.

Nach dem Rücktritt von Bundesagrarminister Hans-Peter Friedrich (CSU) wirft die CSU dem Koalitionspartner Vertrauensbruch vor. Oppermann hatte am Donnerstag öffentlich gemacht, dass Friedrich der SPD-Spitze im Oktober mitgeteilt hatte, der Name Sebastian Edathy sei bei Ermittlungen im Ausland aufgetaucht. Daraufhin trat Friedrich am Freitag zurück. Er sieht sich mit dem Vorwurf des Geheimnisverrats konfrontiert.

Der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy hat derweil bestritten, von Tippgebern einen Hinweis auf die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen ihn bekommen zu haben. Er habe lediglich auf deutsche Presseberichte vom November über "eine Firma in Kanada" reagiert, die von den dortigen Behörden der Verbreitung von Kinderpornografie bezichtigt worden sei, sagte Edathy dem "Spiegel".

Er habe sich erinnert, bei der Firma vor "etlichen Jahren Material bezogen zu haben, das ich eindeutig für legal halte", und habe daraufhin einen Anwalt um Beratung gebeten, sagte Edathy in dem Interview, das am Samstag auf der Website des "Spiegel" veröffentlicht wurde.

Staatsanwaltschaft verhält sich laut Edathy "ungeheuerlich"

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Die Staatsanwaltschaft Hannover ermittelt gegen Edathy wegen Vorwürfen "im Grenzbereich" zur Kinderpornografie. Offiziell ist ein strafbares Verhalten bislang nicht nachgewiesen worden. Es geht nun auch um die Frage, ob Edathy möglicherweise Informationen über ein bevorstehendes Vorgehen der Staatsanwaltschaft gegen ihn bekommen hatte.

In dem "Spiegel"-Interview wies Edathy Berichte zurück, wonach vor der Durchsuchung seiner Privatwohnung Beweise vernichtet worden seien. "Ich halte es für irritierend, aus der Tatsache, dass die Maßnahmen der Staatsanwaltschaft offenkundig nicht dazu geführt haben, mich rechtlich zu belasten, die Schlussfolgerung zu ziehen, ich hätte belastendes Material vernichtet".

Das Verhalten der Staatsanwaltschaft Hannover in seinem Fall bezeichnete Edathy als "ungeheuerlich": Sie werfe ihm "ausdrücklich kein strafbares Verhalten vor, was sie aber nicht davon abhält, Details eines legalen Verhaltens zum Gegenstand einer Pressekonferenz zu machen".

Medienanwalt kritisiert ebenfalls Justiz

Auch der Medienanwalt Ralf Höcker kritisierte die Staatsanwaltschaft. Diese hätte in diesem frühen Verfahrensstadium nicht über den Fall informieren dürfen, sagte der Kölner Anwalt im Nordwestradio. Er kritisierte insbesondere, dass die Staatsanwaltschaft am Freitag Details aus dem laufenden Verfahren bekanntgab.

CSU-Chef Horst Seehofer griff auf einem kleinen CSU-Parteitag in Bamberg die SPD an. Es stellten sich "eine ganze Menge Fragen an die SPD", sagte er. Der CSU-Chef warf dem Koalitonspartner "Geschwätzigkeit" vor. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann war am Donnerstag mit der Aussage an die Öffentlichkeit gegangen, der damalige Bundesinnenminister Friedrich habe SPD-Chef Sigmar Gabriel im Oktober informiert, dass der Name Edathy im Zusammenhang mit Ermittlungen im Ausland aufgetaucht sei. Der seitdem unter dem Verdacht des Geheimnisverrats stehende Friedrich musste daraufhin am Freitag zurücktreten. Die Nachfolge will die CSU am Montag bekannt geben.

Friedrich wirft Oppermann Ablenkungsmanöver vor 

Friedrich warf Oppermann in Bamberg ein gezieltes Ablenkungsmanöver vor, um seine eigene Karriere zu retten. Der "Welt am Sonntag" sagte der CSU-Politiker, er habe Gabriel informiert, kurz nachdem er in einer Sitzung während der Koalitionsverhandlungen einen Anruf bekommen habe. "Da habe ich gedacht, ich sage ihm das jetzt, dass er es politisch beurteilen kann", sagte Friedrich.

Oppermann begründete seinen Gang an die Öffentlichkeit in der "Bild am Sonntag" mit seinen Informationspflichten. Er betonte zudem, mit Friedrich den Inhalt seiner Pressemitteilung abgestimmt zu haben.

Gabriel versicherte in der ARD, weder er selbst noch Steinmeier oder Oppermann hätten Informationen über Ermittlungen gegen Edathy an diesen weitergegeben. Darin sei er sich "absolut sicher", sagte er auch der "Bild"-Zeitung.

CDU fordert eidesstattliche Erklärung von SPD-Politikern

In der Union traut man den Beteuerungen nicht. CDU-Vize Armin Laschet verlangte in der "Welt am Sonntag": "Eidesstattlich müssen alle SPD-Politiker, die eingeweiht waren, dass ihr damaliger Kollege Bilder nackter Jungen bestellte, erklären, dass sie den Verdächtigen nicht vorgewarnt haben."

Auch CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt zeigte sich von Oppermanns Verhalten irritiert. Das sei "eine Hypothek für die Koalition", sagte sie der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Der CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl empörte sich im "Focus": "Es kann ja wohl nicht wahr sein, dass ein SPD-Abgeordneter mutmaßlich kinderpornografische Schriften kauft und die einzige Konsequenz darin besteht, dass ein CSU-Minister zurücktritt." CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sieht die SPD in Erklärungsnot. "Und da läuft alles auf Herrn Oppermann zu", sagte er der "Bild am Sonntag". (afp/dpa)