Berlin. . Neue Details in der Affäre um den ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy: Ein womöglich wichtiges Beweismittel ist verschwunden. Wie ein Bundestagssprecher bestätigte, meldete Edathy sein Dienst-Laptop als gestohlen. In der Großen Koalition sammeln SPD und Union derweil Scherben auf.
In der Edathy-Affäre ist ein womöglich wichtiges Beweismittel verschwunden. Nach am Montag veröffentlichten Recherchen des Magazins "Stern" ließ Edathy seinen Dienst-Laptop dem Bundestag vergangene Woche als gestohlen melden, nachdem er sein Mandat niedergelegt und die Staatsanwaltschaft seine Wohnung sowie Büros in Niedersachsen durchsucht hatte.
Bundestagssprecher Ernst Hebeker bestätigte am Montagabend, dass die Diebstahlsmeldung am 12. Februar per Fax bei der Bundestagsverwaltung eingegangen sei. Durch wen Edathy diese Information an die Bundestagsverwaltung gegeben habe, sei "nicht verifizierbar", sagte Hebeker dem "Stern". Edathys Anwalt Christian Noll ließ eine Anfrage des "Stern" zum Sachverhalt zunächst unbeantwortet.
Am 7. Februar hatte Edathy sein Mandat niedergelegt, am 10. Februar durchsuchte die Staatsanwaltschaft Hannover seine Privat- und Büroräume. Sie wurde nach eigenen Angaben vom Bundestag nicht über die Diebstahlsanzeige informiert. Für weitere Fragen sorgt, dass das Schreiben der Staatsanwaltschaft über die Ermittlungen unverschlossen beim Bundestag eingegangen war.
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Schwere Vertrauenskrise in der Großen Koalition
Die Affäre hatte eine schwere Vertrauenskrise in der großen Koalition ausgelöst. Bundesagrarminister Hans-Peter Friedrich (CSU) war am Freitag über seinen Umgang mit dem Fall Edathy gestürzt. Er hatte Gabriel im Oktober - damals noch als Bundesinnenminister - darüber informiert, dass Edathys Name bei Ermittlungen im Ausland aufgetaucht sei.
Das hatte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann am vorigen Donnerstag öffentlich gemacht. Friedrich wird nun Geheimnisverrat vorgeworfen. Staatsanwälte prüfen, ob sie Ermittlungen gegen ihn einleiten. Doch auch Oppermann steht in der Kritik, der die Vorgänge öffentlich gemacht hatte.
Im Fall Edathy sammeln Union und SPD jetzt die Scherben auf
Ein Wochenende lang sann die CSU auf Rache. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Weil ihr Minister Hans-Peter Friedrich zurücktreten musste, sollte ihm auch jener Mann folgen, der ihn verpfiff: Thomas Oppermann, Chef der SPD-Fraktion. Am Montag begannen die Partner der Koalition die Scherben im Fall Edathy aufzusammeln.
CSU-Chef Horst Seehofer mäßigte sich. Aus der CDU-Spitze hieß es: „Wir brauchen keinen Skalp.“ Die SPD war um Deeskalation bemüht. Oppermann wollte sogar am Abend der CSU-Landesgruppe Rede und Antwort stehen. Es wurde ihm aber bedeutet, er sei unerwünscht. Ob sie ihm je verzeihen wird, dass er bekannt gemacht hatte, dass Friedrich als Innenminister die SPD im Herst 2013 über einen Verdacht gegen ihren damaligen Abgeordneten Sebastian Edathy informiert hatte?
Krisengipfel mit Merkel
Die CSU war so wütend, dass sie am Samstag in Erwägung gezogen hatte, dass Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt und Friedrich die Ämter tauschen. So wäre Friedrich nach seinem Rücktritt auf Augenhöhe mit Oppermann. Das Signal galt auch Kanzlerin Angela Merkel, die Friedrich aus dem Kabinett drängte.
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SPD-Chef Sigmar Gabriel legt Wert darauf, dass die Kanzlerin den Rücktritt nicht mit ihm besprochen habe. Wenn es nach ihm geht, gibt es in Berlin nicht viel aufzuklären. Wenn er sich am Dienstag mit Merkel und Seehofer zum Krisengipfel trifft, geht Gabriels Blick nach vorn. Die Rückschau wäre zu deprimierend. Je mehr Details bekannt werden, desto verheerender fällt das Urteil über das miserable Krisenmanagement aus.
Miserables Krisenmanagement
Besonders fatal: Der letzte Mittwoch. Nachmittags war Gabriel zu einem Fachgespräch im Kanzleramt. Am Rande informierte er Merkel, dass es Anfragen an die SPD gebe, seit wann die Vorwürfe gegen Edathy bekannt seien. Seine Partei wolle klarstellen, dass sie seit Oktober eingeweiht sei. Und Merkel? Sie intervenierte nicht. Am Abend meldete sich Oppermann bei Friedrich und wollte eine Erklärung für den nächsten Tag abstimmen. Der Minister war einverstanden, man möge ihm die Erklärung zuschicken.
Am Donnerstag wird dies um 11.21 Uhr nachgeholt – schon um 11.49 Uhr aber an die Presse gegeben. Als sich Friedrichs Büro um 11.57 Uhr meldet, ist es zu spät. Ähnlich überrumpelt mag sich BKA-Präsident Jörg Ziercke fühlen, der auch in der Erklärung erwähnt wird, weil er mit Oppermann telefoniert hatte. Nun droht ihm wie Friedrich ein Verfahren, falls er dabei Dienstgeheimnisse verraten haben sollte. Sie könnten sich bis zu Oppermann erstrecken – wegen Anstiftung zum Geheimnisverrat. Für Ziercke, der im Juli in den Ruhestand geht, stehen Pensionsansprüche auf dem Spiel. (mit dpa/afp)