Hannover. In dem Verfahren gegen den SPD-Politiker Edathy geht es laut Staatsanwaltschaft Hannover um Vorwürfe im Grenzbereich zur Kinderpornografie. Behördenleiter Jörg Fröhlich zeigte sich erschüttert darüber, dass Teile der Ermittlungsakte trotz Geheimhaltung öffentlich bekannt wurden: “Es macht mich fassungslos.“
Die Staatsanwaltschaft Hannover hat am Freitag erstmals bestätigt, dass gegen den SPD-Politiker Sebastian Edathy wegen des Verdachts des Besitzes von Kinderpornografie ermittelt wird. Die Behörde prüft auch die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen des Verrats von Dienstgeheimnissen und Strafvereitelung im Amt.
Dieses könne sich außer gegen den ehemaligen Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), der am Freitag als Bundesagrarminister zurücktrat, auch gegen SPD-Politiker und hohe Polizeibeamte richten, teilte der Leiter der Staatsanwaltschaft, Jörg Fröhlich, in Hannover mit. Auch die Staatsanwaltschaft in Berlin prüft ein solches Verfahren. Ein Sprecher sagte, über die Zuständigkeit wollten sich beide Behörden in Kürze abstimmen.
Edathy soll neunmal im Online-Shop bestellt haben
Nach Erkenntnissen der Hannoveraner Ermittler hat Edathy zwischen Oktober 2005 und Juni 2010 neun Mal im Onlineshop eines kanadischen Unternehmens insgesamt 31 Filme und Fotosets von unbekleideten Jungen zwischen neun und 14 Jahren bestellt. Diese seien "in vermeintlich natürlichen Lebensposen wie beim Spielen" zu sehen, "aber alle in Bezug zu den Genitalien", erläuterte Fröhlich. Nach Einschätzung des Bundeskriminalamts handelt es sich um Material der "Kategorie Zwei" - und damit an der Grenze zur Strafbarkeit. Kinderpornografie im Sinne des Starfgesetzbuches sind nur solche Darstellungen, auf denen sexuelle Handlungen zu erkennen sind oder Geschlechtsteile besonders deutlich gezeigt werden.
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Die ersten sieben Bestellungen seien Edathy per Post geschickt worden, die beiden letzten als Downloads über einen Server des Bundestages. Die Zahlungsvorgänge ließen sich Kreditkartenbuchungen Edathys zuordnen, für die ein eigenes Konto eingerichtet worden sei.
Unklar, ob es auch strafbares Material gab
Fröhlich sagte, seine Behörde habe sich zur Aufnahme von Ermittlungen entschlossen, weil sie wie zahlreiche andere deutsche Staatsanwaltschaften davon ausgehe, dass wer grenzwertiges kinderpornografisches Material bestelle, dabei konspirativ vorgehe und dies bei einer Firma im Ausland tue, auch im Besitz von strafbarem Material sein dürfte. Wo sich Edathy zurzeit aufhält, ist laut Fröhlich unbekannt.
Die Staatsanwaltschaft kritisiert zugleich, dass Informationen zu dem Fall bereits im Oktober in der damaligen Bundesregierung und in der SPD-Spitze bekannt waren. "Wir sind fassungslos", sagte Fröhlich.
Überraschung, als Edathy das Mandat niederlegte
Seine Behörde habe Ende Oktober von dem Verfahren erfahren. Die Akte zu Edathy habe er am 5. November erhalten. Nach Fröhlichs Angaben kündigte die Staatsanwaltschaft in einem vertraulichen Schreiben an Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) vom 6. Februar 2014 an, dass sie ein Ermittlungsverfahren gegen Edathy eröffnen werde. Davon erhielt Edathy womöglich Kenntnis: Er legte am 7. Februar sein Mandat nieder, wie er am 8. Februar unter Angabe gesundheitlicher Gründe mitteilte. Der Mandatsverzicht "traf uns völlig überraschend", sagte Fröhlich. Nach Medienberichten waren bei Durchsuchungen Festplatten bereits zerstört gewesen.
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann hatte am Donnerstag mitgeteilt, der damalige Innenminister Friedrich habe SPD-Chef Sigmar Gabriel im Oktober darauf angesprochen, dass im Rahmen von Ermittlungen im Ausland der Name Edathy gefallen sei. (rtr)