Essen. Das Spitzenpersonal der Koalition hält sich merklich zurück im Fall Edathy. Deshalb musste Günther Jauch in der ARD mit der zweiten Reihe diskutieren. Dass dies trotzdem eine bemerkenswerte Runde wurde, lag aber vor allem an einem Politiker, der nicht dabei war.

Es ist nicht überliefert, ob Hans-Peter Friedrich am Sonntagabend um Viertel vor Zehn die ARD eingeschaltet hatte. Vielleicht war dem gerade zurückgetretenen Minister aber auch nach dem schlappen „Tatort“ die Lust am Fernsehen vergangen und er hatte schon weggezappt – der CSU-Mann hätte etwas verpasst. Denn da saßen bei Jauch mit CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach und SPD-Bundestagsfraktions-Vize Karl Lauterbach zwei Politiker, die bisher nicht als dicke Freunde Friedrichs aufgefallen waren – und hoben den Ex-Minister förmlich in den Himmel.

Sozialdemokrat Lauterbach übermittelte „im Namen der Fraktion“ die „tief empfundene Dankbarkeit“ für Friedrich. Der Christsoziale, als Innenminister zu schwarz-gelben Zeiten noch einer der Lieblingsgegner der SPD, sei „ein ausgezeichneter Kollege. Wir haben ihn nicht über die Klinge gehen lassen“. Immerhin hatte Lauterbachs Chef, der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann, öffentlich gemacht, dass Friedrich die anstehenden Ermittlungen gegen den Abgeordneten Sebastian Edathy gegenüber der SPD ausgeplaudert hatte. CSU-Chef Horst Seehofer war deshalb am Wochenende mächtig angefressen und warf der SPD-Spitze giftig „Geschwätzigkeit“ vor. Schließlich hatte seine Verletzung des Dienstgeheimnisses Friedrich den Job gekostet. Lauterbach aber ist sicher: Friedrich meint es nur gut, wollte Schlimmeres verhüten.

Friedrich - "mit beiden Beinen auf der Seife"

Da wollte Koalitionspartner Bosbach nicht nachstehen und brach auf seine Weise eine Lanze für den Ex-Minister. In dem Moment, als Friedrich von den Ermittlungen gegen Edathy erfahren habe, sei der Minister „mit beiden Beinen auf der Seife“ gestanden. Entweder er schwieg und musste damit rechnen, später als jemand dazustehen, der einen Skandal hätte vermeiden können – dann nämlich, wenn Edathy als Minister oder Staatssekretär in den Fokus der Justiz geraten wäre. Oder aber er wandte sich an die SPD – mit dem Ergebnis, das wir nun haben. „Er konnte es nur falsch machen“, beklagte Bosbach.

Doch die gemeinsamen schwarz-roten Krokodilstränen auf den abgetretenen Minister wollte nicht jeder teilen. Wolfgang Kubicki, der scharfzüngige und in zahllosen Talkshows gestählte FDP-Mann, gab auch bei Jauch den Spielverderber. Zwickmühle hin oder her – „die Verletzung der Amtsverschwiegenheit ist nicht zu rechtfertigen“ urteilte der Jurist aus dem hohen Norden. Dass SPD-Mann Oppermann sogar noch den BKA-Chef anrief und sich nach dem Fall Edathy erkundigte, sei ein weiterer „Skandal“. Die SPD täte gut daran, so Kubicki, „Oppermann aus dem Rennen zu nehmen“. Ähnlich hatte es kurz zuvor die CSU gesagt.

Wo waren die Herren aus der ersten Reihe?

Der Rest der TV-Debatte war entbehrlich: Wer wann über was mit wem gesprochen habe und wer welche Rolle spiele in dem Fall – Spekulationen und Vermutungen. Nichts genaues weiß man nicht. Und die, die mehr hätten sagen können, waren ja nicht da. Was Gastgeber Jauch am Schluss der Sendung noch einmal ausdrücklich bedauerte. Die Herren Gabriel, Oppermann und Friedrich hätten der Redaktion erklärt, es sei ihnen nicht möglich, an der Sendung teilzunehmen. Wenn’s um den eigenen Kopf geht, ist offenbar Schluss mit „Geschwätzigkeit“.