Essen. . Die Vertrauenskrise beim ADAC hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Der Autopreis „Gelber Engel“ war einem externen Prüfbericht zufolge stärker manipuliert als anfangs angenommen. Der Präsident des Clubs, Peter Meyer, trat zurück - und kam seinem Rauswurf zuvor.
Mit einem beispiellosen Machtkampf endet die Ära des ADAC-Präsidenten Peter Meyer. Mit seinem Rücktritt entzog sich der 64-jährige Mülheimer am Montag dem Rauswurf durch seine Kollegen im Präsidium des Autoclubs, der seit Mitte Januar durch eine Vielzahl von Skandalen erschüttert wird. Der ADAC musste zugeben, dass bei der Wahl des „Lieblingsautos“ nicht nur die Teilnehmerzahl, sondern auch die Reihenfolge gefälscht war.
Es ist der Tag der Abrechnung in Europas größtem Autoclub: Während die älteren Herren der ADAC-Spitze in München über ein Suspendierungsverfahren gegen Meyer beraten, lässt dieser seinen Regionalclub Nordrhein in Köln seinen Rücktritt verbreiten. Für „Fehler und Manipulationen von hauptamtlichen Führungskräften“ wolle er nicht mehr allein die Verantwortung übernehmen, erklärt Meyer und wirft seinen Vorstandskollegen vor, ihm die Gefolgschaft bei der Reform des Clubs verweigert zu haben.
Warum ein Suspendierungsverfahren gegen den Präsidenten?
Präsidium und Verwaltungsrat auf Bundesebene kontern eine Stunde später, hüllen sich aber in Schweigen, warum sie ein Suspendierungsverfahren gegen ihren Präsidenten einleiten wollten. Sie deuten nur vage an, dass Meyer als Präsident „in besonderem Maße für Kommunikation und Außenwirkung verantwortlich“ sei.
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Ob es neue Vorwürfe gegen Meyer gibt, der bereits wegen Flügen im Rettungshubschrauber in Erklärungsnot geraten war, oder ob seine geplante Absetzung im Zusammenhang mit den Manipulationen bei der Wahl des „Lieblingsautos“ stehen sollte, bleibt unklar.
Schon früher wurden Wahlen manipuliert
Am Nachmittag veröffentlicht die Wirtschaftsprüfungsfirma Deloitte ihre mit Spannung erwarteten Untersuchungsergebnisse. Danach waren die Wahlen 2014 und davor manipuliert. Für dieses Jahr stellen die Prüfer fest, dass nicht nur die Teilnehmerzahl, sondern auch die Reihenfolge der Platzierung gefälscht wurde. Gründe seien vorsätzliche Veränderungen durch den im Januar zurückgetretenen ADAC-Kommunikationschef wie auch eine technisch fehlerhafte Verarbeitung der Daten. Mehrere Autohersteller gaben daraufhin am Montag ihre „Gelben Engel“ zurück.
Angesichts der sich überschlagenden Ereignisse spricht der Duisburger Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von „Chaostagen“ und „Totalschaden“ für den ADAC. „Meyer hat sich zu lange an sein Amt geklammert“, sagte der Professor der WAZ.
Präsidium fiel Meyer in den Rücken
Noch am Wochenende hatte sich Peter Meyer wild entschlossen gezeigt, die nötige Reform des ADAC selbst voranzubringen. Da ahnte der 64-jährige Mülheimer offenbar noch nicht, dass ihm sein Präsidium in den Rücken fallen und seinen Sturz vorbereiten würde.
Am Montag dann überschlagen sich die Ereignisse: Um 13.03 Uhr verbreitet der ADAC-Regionalverband Nordrhein in Köln, dem Meyer ebenfalls vorsteht, die Rücktrittserklärung des Autoclub-Präsidenten. Meyer bedauert darin, dass die Gremien des ADAC ihm nicht mehr folgten. Und er stellt verbittert fest: „Für Fehler und Manipulationen von hauptamtlichen Führungskräften (...) möchte ich nicht länger allein verantwortlich gemacht werden.“ Meyer beklagt sich über „Angriffe und Diffamierungen“ gegen ihn und seine Familie.
Suspendierungsverfahren gegen den eigenen Präsidenten
Um 14.07 Uhr keilen ADAC-Präsidium und Verwaltungsrat mit einer Erklärung zurück, die den Machtkampf unter den älteren Herren an der Spitze des größten Autoclubs Europas offenbart: Meyers Amtsniederlegung nehme man „zur Kenntnis“, heißt es darin unterkühlt. Die Bombe geht zum Ende der Mitteilung hoch: „Angesichts der aktuellen Vertrauenskrise des ADAC und der erschütternden Ergebnisse der aktuellen Krisenaufarbeitung hat das Präsidium des ADAC am Montagvormittag ein Suspendierungsverfahren gegen Peter Meyer beschlossen.“
Den beabsichtigten Sturz ihres Präsidenten, der immerhin zwölf Jahre an der Spitze gestanden hatte, begründen sie mit der in der Satzung geregelten Aufgabenverteilung: Der Präsident sei „in besonderem Maße für Kommunikation und Außenwirkung verantwortlich“. Ob das Präsidium Meyer nun auch persönlich für Wahlmanipulationen beim „Lieblingsauto“, die Mitte Januar erst die ganze Welle der ADAC-Affären ins Rollen gebracht hatten, verantwortlich macht, bleibt offen. „Dazu wird Ihnen niemand etwas sagen. Hier überschlagen sich die Ereignisse“, heißt es gegen 15 Uhr in München.
August Markl führt ADAC bis Mai
Den in der Mitteilung angemahnten „tiefgreifenden Reformprozess, der auch vor vermeintlichen Tabus nicht zurückschreckt“, traut die Führungsspitze Meyer also nicht mehr zu. Die Reform soll nun sein bisheriger Stellvertreter August Markl bis zur nächsten Hauptversammlung im Mai vorantreiben. Der Radiologe führt seit 2001 den ADAC Südbayern.
Um 15.41 Uhr veröffentlicht der ADAC dann den mit Spannung erwarteten Bericht des Wirtschaftsprüfungsbüros Deloitte. „Unsere Untersuchungen haben Prozessschwächen, Fehler in der Datenverarbeitung sowie Manipulationen bei der Wahl zum ,Lieblingsauto’offenbart“ – 2014 und davor, so Deloitte-Partner Frank Marzluf.
Computer ausgewertet und Mitarbeiter befragt
Die Prüfer werteten Computer aus und sprachen mit ADAC-Mitarbeitern. Sie fanden heraus, dass der mittlerweile zurückgetretene Kommunikationschef Michael Ramstetter am 28. November 2013, als die Wahlergebnisse bekannt gegeben wurden, auf seinem PC „sowohl die Stimmenzahl als auch die Zuordnung der Stimmen zu den einzelnen Modellen willkürlich verändert“ habe. Dadurch blieb der VW Golf zwar der Sieger. Ramstetter erhöhte die Zahl der Stimmen für den Golf aber zunächst von 1617 auf 16 179 und später sogar auf 49 179. Auf Platz zwei setzte Ramstetter den Audi A 3, während die Überprüfung von Deloitte ergab, dass der BMW-3er den zweiten Rang belegte.
Um 16.44 Uhr meldet sich noch einmal Meyer zu Wort: Er stellt klar, dass das ADAC-Präsidium gar keinen Beschluss für ein Amtsenthebungsverfahren gefasst habe. Und der Ex-Präsident erklärt, dass er dem Präsidium „anheimgestellt“ habe, als Signal in Gänze zurückzutreten.