Washington. Die Übergangslösung im Atomstreit soll vom 20. Januar an umgesetzt werden. Der Iran sagte zu, sein Atomprogramm auf Eis zu legen. Dafür werden nun schrittweise Milliarden US-Dollar aus eingefrorenen Öleinnahmen freigegeben.
Der Iran wird erstmals seit einem Jahrzehnt sein Atomprogramm nicht weiter ausbauen, sondern in Teilen sogar zurückfahren. Im Gegenzug sollen Sanktionen gelockert und am 1. Februar 550 Millionen Dollar der auf internationalen Konten eingefrorenen Ölmilliarden des Landes freigegeben werden, berichteten iranische Medien und US-Medien. Eine entsprechende Übergangsvereinbarung tritt am kommenden Montag (20. Januar) für zunächst sechs Monate in Kraft. Die Führung in Teheran reagierte am Montag mit Erleichterung.
Die Einigung über die Umsetzung der ersten konkreten Schritte, die dem Iran Möglichkeiten zum Bau einer Atombombe nehmen sollen, wurde am Sonntag in Genf besiegelt. "Von diesem Tag an wird das iranische Atomprogramm erstmals in fast einem Jahrzehnt nicht ausgebaut werden können, Teile werden zurückgebaut, während wir mit den Verhandlungen über eine umfassende Lösung beginnen, um Sorgen der internationalen Gemeinschaft wegen des iranischen Programms auszuräumen", erklärte US-Außenminister John Kerry.
Was in sechs Monaten geschehen wird, weiß niemand
Das heißt: Ab 20. Januar tickt im Iran-Atom-Konflikt die Endzeit-Uhr. Was geschehen wird, wenn sie Ende Juli abgelaufen ist, weiß heute niemand. Aber so viel ist klar: Die Wochen bis dahin werden so nervenaufreibend wie selten zuvor. Vor allem für den Mann, der bald fünfjähriges Dienstjubiläum im Weißen Haus feiert.
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Für Barack Obama ist die Einigung vom Wochenende Chance und Risiko zugleich. Spielt Teheran fair und drosselt die Uran-Anreicherung, kann der amerikanische Präsident mehr als einen Achtungserfolg verbuchen. Seine oft angefeindete defensive Politik, die eine militärische Straf-Aktion gegen Teheran umgehen will, hätte sich bezahlt gemacht. Zumindest wäre der Weg für eine endgültige Beilegung des seit Jahren schwelenden Konflikts frei. Ende hier: natürlich offen.
Ein Vertragsbruch Teherans müsste final bestraft werden
Trickste das Mullah-Regime jedoch, versuchte die neue Führung unter Präsident Ruhani sein angeblich allein auf zivile Nutzung angelegtes Atomprogramm in den kommenden sechs Monaten doch heimlich militärtauglich zu machen, stünde der unverdiente Friedensnobelpreisträger Obama mit dem Rücken zur Wand. Einen Iran, mit Nuklearwaffen, so hatte er es dutzendfach beteuert, werde es in seiner Amtszeit nicht geben. Ein Vertragsbruch Teherans müsste nach dieser Logik final bestraft werden. Erst Verhandlungsabbruch. Dann noch drastischere Sanktionen. Am Ende gar ein Militäreinsatz. Mit unabsehbaren Konsequenzen.
Bei allem, was nun kommt, bewegt sich das Weiße Haus auf dünnem Eis. Im Oberhaus des Parlaments in Washington stützen bereits 59 von 100 Senatoren ein Gesetz, das neue, härtere Wirtschaftssanktionen gegen Teheran vorsieht. Also das exakte Gegenteil von dem will, was das Sechserbündnis aus den UN-Vetomächten plus Deutschland dem Iran bei Wohlverhalten fest zugesagt hat: das „Auftauen“ von knapp insgesamt sieben Milliarden Dollar, die bisher auf Eis liegen. Die ersten 550 Millionen Dollar sollen schon in wenigen Tagen fließen.
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Der Präsident und sein Außenminister werden jede Bühne nutzen
Bei 67 Stimmen im Senat für den Kontra-Kurs wäre der Ofen aus und das angekündigte Veto Obamas außer Kraft gesetzt. Da im Repräsentantenhaus aufgrund der republikanischen Mehrheit ohnehin mit einer kompromisslosen Haltung gegenüber Iran zu rechnen ist, stünde Obama nackt da.
Der Präsident und sein Außenminister werden darum jede Bühne nutzen, im Falle John Kerrys gewiss auch die Münchener Sicherheitskonferenz im Februar, um noch intensiver mit Engelszungen auf die Abgeordneten einzureden und Geduld einzufordern. Sattelt der Kongress drauf, fährt die unberechenbar gewordene Politik in Washington Obama in die Parade, ist das jetzt bestätigte Abkommen tot und Teheran steigt aus. Das Fenster der Diplomatie, das nach mühsamem Ringen wieder aufgestoßen wurde, würde sich wohl auf Dauer schließen.
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Die Chancen stehen 50:50
Umso wichtiger sind vertrauensbildende Maßnahmen Teherans. Signale an die Weltöffentlichkeit, dass man es diesmal ernst meint und Überprüfungen seitens der Internationalen Atomenergie-Behörde uneingeschränkt gestattet. Und alles unterlässt, was den Falken in den USA wie in Israel Munition an die Hand gibt.
Im Gegenzug muss Washington den Eindruck vermeiden, dass Irans Rolle im Syrien-Konflikt mit der Atomfrage verwoben ist. Es sind zwei Paar Schuhe. Was Obama schon vor Wochen sagte, stimmt auch heute noch. Die Chancen für eine friedliche Lösung des Atomstreit stehen 50:50. Nicht mehr, nicht weniger. Ab 20. Januar tickt die Uhr. (mit dpa)