Berlin. . Während die große Koalition es eilig hat, ihre neuen Segnungen bei der Rente in die Tat umzusetzen, warnt der Altkanzler vor den immensen Kosten - und neuen, harten Einschnitten deswegen. Angela Merkel will heute in ihrer Regierungserklärung darlegen, war ihre große Koalition sonst noch plant.

Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) hat die Rentenpläne der schwarz-roten Koalition scharf kritisiert. Die geplante Rente mit 63 für Arbeitnehmer, die 45 Jahre lang Beiträge gezahlt haben, sei "ein absolut falsches Signal", zitierte die "Bild"-Zeitung (Mittwoch) aus einem neuen Buch Schröders, das Mitte Februar erscheinen soll. Dies gelte "gerade mit Blick auf unsere europäischen Partner, von denen wir ja zu Recht Strukturreformen einfordern". Er verstehe zwar, welchen gesellschaftlichen Gruppen man mit den Koalitionsbeschlüssen helfen wolle. "Das ändert aber nichts am zentralen Problem: Wie soll das finanziert werden?"

Ihn wundere, dass sich die Frauen nicht zu Wort gemeldet haben, denn das Ergebnis sei eindeutig, so Schörder: "Der männliche Facharbeiter, relativ gut verdienend, wird das nutzen können, Frauen eher weniger, weil die meistens gar nicht auf die 45 Beitragsjahre kommen."

Mittelfristig müssten die Beiträge wieder steigen - oder die Arbeitszeiten wieder steigen

Auch interessant

Ein weiteres Problem sei noch schwerwiegender, schrieb Schröder dem Zeitungsbericht zufolge weiter: "Die Entscheidungen kosten nicht nur einmal Milliarden, die Ausgaben kommen jedes Jahr wieder. Das führt in einigen Jahren unweigerlich zu der Frage: Müssen wir deswegen die Rentenbeiträge erhöhen?" Dann stehe man wieder vor Entscheidungen wie zu Zeiten der Agenda 2010. "Dann wird es wieder neue, schmerzhafte Rentenreformen geben müssen, damit die Rentenbeiträge für die Arbeitnehmer und Arbeitgeber bezahlbar bleiben. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche."

Auf längere Sicht bekämen die Deutschen eher eine Diskussion über eine erneute Verlängerung der Arbeitszeit als darüber, die Grenze wieder herabzusetzen. Er halte die Rente mit 67 Jahren "nach wie vor für vernünftig", so Schröder.

Bundesregierung drückt - trotz aller Warnungen - aufs Tempo

Unbeeindruckt von den warnenden Stimmen auch aus der Wirtschaft drückt die Bundesregierung bei der Umsetzung ihrer Rentenpläne aufs Tempo. Bereits am Mittwoch hat Schwarz-Rot das milliardenschwere Paket auf den Weg gebracht. Es besteht aus der abschlagfreien Rente ab 63 für langjährig Versicherte, der verbesserten Mütterrente, der aufgestockten Rente für Erwerbsgeminderte und besseren Reha-Leistungen. Insgesamt schlagen die Pläne bis 2030 mit jährlich neun bis elf Milliarden Euro zu Buche. Bezahlt werden soll alles zunächst aus der gefüllten Rentenkasse.

In dem Entwurf von Arbeitsministerin Nahles werden auch Schritte gegen eine mögliche Frühverrentungswelle im Zusammenhang mit der Rente ab 63 angekündigt. Das Problem stellt sich grundsätzlich, weil mit der Neuregelung auch Zeiten von Kurzzeitarbeitslosigkeit anerkannt werden sollen. Damit wäre schon für 61-Jährige der Weg in die abschlagfreie Rente frei, wenn sie die letzten beiden Jahre Arbeitslosengeld I beziehen.

Mit der besonders umstrittenen abschlagfreie Rente ab 63 für langjährig Versicherte werde den Betroffenen "nichts geschenkt", sagte Nahles bei der Vorstellung des paketes im Bundestag. "Diese Rente ist verdient". Nahles räumte ein, dass es ihr bislang nicht gelungen sei, eine verfassungskonforme Lösung gegen den befürchteten Trend zur Frühverrentung zu finden. Dies werde aber im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren gelingen, versicherte die Arbeitsministerin.

Im Übrigen glaube sie nicht, dass es tatsächlich zu einer "Massen-Frühverrentung" kommen werde. Dies sei auch für Arbeitgeber wegen der notwendigen Abschlagszahlungen an die Arbeitnehmer sehr teuer. Denn Frühverrentung rechne sich für Arbeitnehmer nur, wenn der Arbeitgeber eine Prämie drauflege. Diese Frühverrentung sei aber politisch nicht gewollt.

Suche nach Instrumenten gegen Frühverrentungs-Welle

Der CDU-Abgeordnete Karl Schiewerling schlug eine Stichtagsregelung für die Anrechnung von Arbeitslosenzeiten vor. Arbeitslosigkeit soll demnach nur für die Vergangenheit angerechnet werden, also für die Zeit vor Januar 2014. Schiewerling sagte, die Rente mit 63 dürfe nicht als Einladung zur "massenhaften Frühverrentung" verstanden werden.

Der CDU-Sozialexperte Jens Spahn will Arbeitnehmer mit Anreizen dazu bewegen, länger zu arbeiten. "Wer die abschlagfreie Rente ab 63 Jahren nicht nimmt, könnte in den letzten Berufsjahren von Beiträgen zur Rentenversicherung oder zur Arbeitslosenversicherung befreit werden", sagte.

SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach vertrat die Ansicht, dass die Gefahr übertrieben werde, und plädierte dafür, erst einmal abzuwarten. "Wir könnten eine Regelung ins Gesetz aufnehmen, die Missbrauch ausschließt oder uns vereinbaren, erst einmal zu beobachten, ob es überhaupt zu dem befürchteten Missbrauch kommt", sagte er. "Ich gehe nicht davon aus, aber falls doch, werden wir es verhindern."

Merkel wird sich im Bundestag erklären

Sechs Wochen nach dem Start der großen Koalition will Bundeskanzlerin Angela Merkel an diesem Mittwoch zudem im Bundestag ihre Schwerpunkte ihrer Regierungsarbeit erläutern. In einer einstündigen Regierungserklärung wird sich die CDU-Vorsitzende unter anderem zu den großen Themen Energiewende und Rente sowie zur Außen- und Europapolitik äußern.

Die Rede wird mit Spannung erwartet, weil sich Merkel bisher zu vielen Fragen der Regierungsarbeit von Schwarz-Rot nur zurückhaltend geäußert hat. Die Opposition rief Merkel dazu auf, vier Monate nach der Wahl im Parlament endlich darzulegen, welche Ziele sie verfolge. "Bislang kennen wir nur Streit innerhalb der Koalition über Einzelvorschläge von Ministern", sagte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. "Das ist definitiv zu wenig, da muss Merkel jetzt liefern." (dpa)