Berlin. Ob Mütterrente oder Rente mit 63: Der frühere Sozialminister ist nicht mit den Vorhaben der neuen Großen Koalition einverstanden. Zudem wächst auch innerhalb der Koalition der Widerstand gegen die Reformpläne. Das Rententhema wird also noch eine Weile die Nachrichten prägen.
Der frühere Sozialminister Franz Müntefering (SPD), auf den maßgeblich die Rente mit 67 zurückgeht, hat die Rentenpläne der Koalition ungewöhnlich massiv kritisiert. Die abschlagsfreie Rente mit 63 Jahren nannte er am Montag ein „sehr zweifelhaftes Vorhaben“, weil sie einen Vorteil nur für eine kleine Gruppe der Babyboomer-Generation gewähre – nachfolgende Jahrgänge müssten die Rechnung bezahlen.
Die Kosten der Mütterrente von 6,5 Milliarden Euro jährlich dürften nicht wie vorgesehen der Rentenversicherung aufgeladen werden, sondern müssten aus Steuermitteln finanziert werden, forderte Müntefering. Und mit der verabredeten Lebensleistungsrente – einem Rentenzuschuss für langjährige Geringverdiener – beginne eine „Tendenz hin auf die Rutsche der Einheitsrente“.
Streit auch in der Koalition
Die harsche Kritik des früheren SPD-Chefs kommt nicht völlig überraschend: Müntefering hatte maßgeblichen Anteil an Reformen zur langfristigen Stabilisierung der Rentenkasse – die Rente mit 67 ist in erster Linie sein Werk, dessen Wirkung Union und SPD jetzt teilweise zurückdrehen.
Münteferings Intervention trifft die SPD und die Koalition aber zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Denn ohnehin hat die Koalition auch die Rentenpläne als Streitthema entdeckt: Konfliktpunkt ist etwa, ob bei den 45 Beitragsjahren für die Rente mit 63 auch mehr als fünf Jahre Arbeitslosigkeit angerechnet werden.
Zugleich weitet sich der Streit aus, ob die Rentenpläne nicht doch mit zusätzlichen Steuermitteln bezahlt werden müssten. Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hat gefordert, schon mit der aktuellen Reform müsse gesetzlich verankert werden, dass ab 2018 zusätzliche Steuermilliarden in die Rentenkasse fließen – andernfalls müssen nach Einschätzung praktisch aller Experten dann die Beiträge steigen. Doch in der Union ist die Neigung zu Festlegungen gering: Was in der nächsten Wahlperiode passiere, müsse die nächste Koalition entscheiden, sagte CDU-Generalsekretär Peter Tauber gestern.
„Ohne Steuererhöhung“
In dieser Wahlperiode werde es keine Erhöhung der Zuschüsse geben, die Rentenpolitik werde „ohne Steuererhöhung“ finanziert. Damit ließ Tauber die Befürchtung der Union erkennen: Wer höhere Steuerzuschüsse verspricht, provoziert eine Steuererhöhungsdebatte.
Frau Nahles solle sich besser mit der Umsetzung der Koalitionsvorhaben befassen, als sich jetzt mit Fragen für die Zeit nach 2018 zu beschäftigen, schimpfte der CSU-Politiker Max Straubinger. Offiziell soll der Streit jetzt bei der Koalitionsklausur kommende Woche geklärt werden.
FDP-Chef Christian Lindner warf der Union bereits einen „verzögerten Wortbruch“ vor: „In dieser Legislaturperiode plündert die Große Koalition die Rentenkasse, in der nächsten muss es dann mehr Schulden oder höhere Steuern geben.“