Berlin. Das Rentenpaket ist das erste große Gesetzesprojekt der Großen Koalition. Wirtschaftsverbände und Opposition schlagen wegen der neuen Lasten für die Rentenversicherung Alarm, aber viele Bürger profitieren auch. Wunder Punkt des Projekts ist die Finanzierung. Die Pläne im Überblick.

Die Mütterrente:

Frauen, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, bekommen die Erziehungszeiten besser honoriert: Mit zwei statt bisher einem Entgeltpunkt pro Kind. Das macht im Westen 28 Euro im Monat aus, im Osten 26 Euro. Eine Frau, die vor 1992 drei Kinder geboren hat, bekommt im Jahr also 1008 Euro zusätzlich. Mütter, deren Kinder später geboren wurden, stehen sich aber immer noch besser – sie bekommen drei Entgeltpunkte angerechnet.

Bei der Mütterrente drohen allerdings Verzögerungen: Viele Rentnerinnen werden das zusätzliche Geld erst im Herbst oder zum Jahresende erhalten. „Für Bestandsrentner brauchen wir zeitlichen Vorlauf, auch wenn es keine neue Prüfung gibt“, sagte ein Sprecher der Deutschen Rentenversicherung Bund unserer Zeitung. „Aber natürlich bekommt jeder Anspruchsberechtigte das zusätzliche Geld rückwirkend zum 1. Juli ausgezahlt.“

Allein die Mütterrente kostet jährlich 6,7 Milliarden Euro.

Rente mit 63:

Wer 45 Beitragsjahre in der Rentenversicherung nachweist, kann ab 1. Juli mit 63 Jahren ohne Abschläge in den Ruhestand gehen. Die 63 Jahre gelten allerdings nur bis Ende 2015; für die Jahrgänge ab 1953 wird diese Altersgrenze schrittweise auf 65 Jahre (ab Jahrgang 1963) erhöht. Strittig war in der Koalition, wie viele Jahre der Arbeitslosigkeit angerechnet werden. Der Kompromiss: Ohne Obergrenze werden jetzt alle Zeiten mitgezählt, in denen Anspruch auf das reguläre Arbeitslosengeld I (und seine Vorläufer) bestand. Langzeitarbeitslose bleiben also außen vor (Details siehe Kasten).

Details dieser Regelung sind aber in der Koalition noch umstritten. Unions-Sozialexperte Peter Weiß sagte, die geplante Anrechnung von Arbeitslosigkeits-Zeiten müsse erst noch rechtlich geprüft werden – und zu überlegen sei, ob sie überhaupt nur befristet ins Gesetz aufgenommen werden sollten. Die „Rente mit 63“ kostet anfangs rund zwei Milliarden, später drei Milliarden Euro pro Jahr.

Erwerbsminderungsrente:

Wer aus gesundheitlichen Gründen vermindert oder gar nicht mehr arbeiten kann, soll ab 1. Juli besser abgesichert werden – er wird so gestellt, als hätte er mit seinem bisherigen Einkommen bis zum Alter von 62 gearbeitet, bisher lag die Grenze bei 60.

Kosten: Anfangs 200 Millionen Euro im Jahr, später bis zu zwei Milliarden Euro.

Reha-Leistungen:

Die bisher gedeckelten Reha-Leistungen der Rentenversicherungsträger werden in diesem Jahr um 100 Millionen, danach um 200 Millionen Euro jährlich erhöht. Der Grund: 2012 wurde der Deckel für die Reha-Ausgaben von 5,66 Milliarden Euro erstmals gesprengt. Mit dem Geld soll etwa Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen geholfen werden, weiter ihren Beruf ausüben zu können.

Die Finanzierung:

Der wunde Punkt ist die Finanzierung. Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) hat mit Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) einen Steuerzuschuss ab 2019 vereinbart. Dieser wächst schrittweise auf zwei Milliarden Euro im Jahr 2022 an. Ob dies ausreicht, erscheint Experten aber zweifelhaft.

Auch die Rentenversicherung hat vor einer schnell aufgezehrten Reserve gewarnt. Sie stört vor allem, dass die höhere Mütterrente nicht, wie bei versicherungsfremden Leistungen üblich, aus Steuern finanziert wird, sondern aus Beiträgen. Zudem geht die Koalition von einer weiter günstigen Konjunkturentwicklung mit geringer Arbeitslosigkeit aus. Ein neuerlicher Einbruch der Wirtschaftsentwicklung zöge rasche Finanzierungsprobleme für die Rentenkasse nach sich. Dann müssten entweder die Rentenbeiträge oder die Steuerzuschüsse erhöht werden.