Sylorsburg. .

Wachhäuschen mit dunklen Scheiben und Videokameras. Absperr-Hütchen am Straßenrand. Elektrische Schranke. Reichlich Sicherheitspersonal. Einfach ist es nicht, die Mount Eaton Road Nr. 1857 in den Poconos zu erreichen. Die Zufahrt zum amerikanischen Exil des Mannes, dem nachgesagt wird, er bringe gerade die Verhältnisse in der Türkei zum Tanzen und Ministerpräsident Erdogan schrittweise dem politischen Grab näher, hat etwas von einem Grenzübergang. Ein Segen für Fethullah Gülen. Dem herz- und zuckerkranken muslimischen Prediger blieb so das bitterböse „Geschenk“ erspart, das Hassan, Sara und drei Dutzende andere von weit her angereiste US-Türken ihm am Samstag vor die Tür legen wollten: einen schwarzen Gemeinschafts-Sarg aus Pappkarton. Für sich. Und für Erdogan.

Zum dritten Mal sind die Demonstranten, fanatische Anhänger des religionsfernen Staatsgründers Kemal Atatürk, nach Saylorsburg gefahren, ein unscheinbares Kaff in der hügeligen Menschenleere Pennsylvanias, drei Autostunden nördlich von Washington. Um gegen den Mann zu protestieren, der „unsere Heimat einer Gehirnwäsche unterzieht“, wie es die 35-jährige Seda aus Florida formuliert, „und auch in Amerika sein islamistisches Unwesen treibt“. Dabei hat das „Time Magazin“ Gülen gerade in die Liste der 100 einflussreichsten Menschen der Welt aufgenommen. Für die Demonstranten sind Erdogan und Gülen wahlweise „Schlangen“ oder die „Totengräber eine modernen Türkei“.

1999 führten die angeschlagene Gesundheit und ein Video den Gelehrten in die USA. Auf den Bildern soll Gülen zum Missfallen der Militärs in Ankara zum Unterwandern des Staates aufgerufen haben. Der juristischen Aufarbeitung des Putschvorwurfs entzog er sich per Flugzeug. Seither residiert der von weltweit sieben Millionen Anhängern „Hocaefendi“ (verehrter Lehrer) genannte Religionsführer auf einem 15 Hektar großen Anwesen fern der Heimat und ihr doch so nah.

Ressort der Gläubigkeit

Das „Golden Generation Worship and Retreat Center“, ein mit Gästehäusern, Begegnungszentrum, Spazierwegen und Teich ausgestattetes Ressort der Gläubigkeit, haben reiche Gönner Gülen auf den blanken Acker gestellt. Der Mann selbst, der zweimal pro Woche eine spirituelle Audienz gibt und interessierte Gäste religiös unterweist, übt sich in Mittellosigkeit. Und Zurückhaltung.

Vorbei. Seit in der Türkei ein Korruptionsskandal tobt und Minister im Zehnerpack ausgetauscht werden, schaltet sich Gülen ein. Und mit ihm ein unter der Schirmherrschaft des ostanatolischen Volksfrommen gigantisch gewachsenes Netzwerk von Schulen, Universitäten, Unternehmen, Mediengruppen und Sympathisanten bis in höchste Regierungsstellen.

Über Videoansprachen und die zum Gülen-Lager gehörende auflagenstärkste Zeitung der Türkei - „Zaman“ - gab sich der alte Mann zuletzt so martialisch, dass es klirrt. Gott möge „Feuer über die Häuser“ derer bringen, ereiferte sich Gülen kaum verklausuliert über seinen ehemaligen Weggefährten Erdogan, die jene „verfolgen, die den Dieb fangen wollen“. Der Premier hatte Gülen als Drahtzieher der Ermittlungswellen gegen sich und sein Kabinett bezichtigt. Und angedroht, den Urhebern die „Hände zu brechen“. Noch vor den Wahlen im nächsten Frühjahr.

Einfach nur abwarten

Seither geben sich Journalisten in Saylorsburg die Klinke in die Hand. Gülen aber kann, geschwächt von Diabetes, oder will nicht mit jedem reden. Das erledigt für ihn Alp Aslandogan. Der 46-Jährige ist Präsident der „Allianz der gemeinsam Werte“, ein Dachverband der Gülenianer in Amerika. Aslandogans Kern-These geht so: Erdogan dämonisiert die Gülen-Bewegung, um von Korruption und Machtmissbrauch durch seine Partei AKP abzulenken. „Er macht Gülen zum Sündenbock.“ Wirklich besorgt wirkt der Sprecher nicht. Wenn der Trend zur Selbstzerstörung in der AKP anhalte, müsse man nur abwarten, wie sich die Dinge von selber fügen.