Ankara. . Gegen die Söhne mehrerer Minister aus dem Kabinett des türkischen Ministerpräsidenten Tayyip Erdogan sind Haftbefehle verhängt worden. Ihnen wird Korruption vorgeworfen. Hinter den Enthüllungen steht - heißt es - Erdogans Widersacher Fetullah Gülen. Der Prediger sitzt in den USA im Exil. Doch seine Anhänger sind in der Türkei äußerst aktiv.

In der türkischen Korruptionsaffäre kommt Ministerpräsident Tayyip Erdogan unter immer größeren Druck. Ein Istanbuler Gericht verhängte am Samstag Haftbefehle gegen die Söhne von zwei Ministern aus Erdogans Kabinett. Damit eskaliert der Machtkampf zwischen Erdogan und dem islamischen Exil-Prediger Fetullah Gülen, der als treibende Kraft hinter den Korruptionsenthüllungen gilt. Jetzt belastet die Affäre aber auch die Beziehungen der Türkei zu den USA.

Die türkische Justiz hat am Wochenende Strafverfahren gegen 24 Personen eingeleitet. Es geht um Bestechung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, illegale Baugenehmigungen, Betrug und Geldwäsche. Unter den Beschuldigten, die seit Samstag in Untersuchungshaft sitzen, sind die Söhne von Innenminister Muammer Güler und Wirtschaftsminister Zafer Caglayan sowie der Vorstandschef der staatlichen Halkbank, die illegale Geldtransfers und Goldgeschäfte mit dem Iran abgewickelt haben soll. In der Wohnung des Bankchefs fanden die Ermittler in mehreren Schuhkartons 4,5 Millionen Dollar in bar. Für Berichte, wonach die Justiz auch gegen vier Minister aus Erdogans Kabinett ermittle, gab es zunächst keine offizielle Bestätigung.

Erdogan sieht in den Korruptionsermittlungen eine „schmutzige Operation“ gegen seine Regierung, an der „internationale Gruppen“ und „finstere Allianzen“ beteiligt seien, wie er am Samstag in der Schwarzmeerstadt Samsun sagte. Die Affäre wird nun auch zu einer Belastung für die Beziehungen der Türkei zu den USA. Mehrere türkische Medien berichteten, die USA drängten auf Ermittlungen gegen die Halkbank, weil das Geldinstitut gegen die Iran-Sanktionen verstoßen habe. Darauf spielte Erdogan an, als er am Samstag „ausländischen Botschaftern“ vorwarf, sie seien an „Provokationen“ beteiligt und überschritten ihre Kompetenzen. Erdogan drohte indirekt mit Ausweisung: „Wir müssen sie nicht in unserem Land dulden.“

Weltweites Netz von Schulen und Wohltätigkeitsorganisationen

Als Reaktion auf die Korruptionsvorwürfe hat die Regierung am Sonntag weitere 25 führende Polizeioffiziere entlassen, die an den Ermittlungen beteiligt waren. Damit wurden bisher insgesamt 70 ranghohe Polizeibeamte abgesetzt. Es soll sich um Gefolgsleute Gülens handeln. Der 72-jährige frühere Imam, der als islamischer Reformer gilt, steuert aus seinem Exil in Pennsylvania (USA) ein weltumspannendes Netz von Schulen, Akademien, Medienunternehmen und Wohltätigkeitsorganisationen. In der Türkei kontrollieren Gülen-Anhänger Schaltstellen im Polizeiapparat, in der Justiz und der Verwaltung.

Damit ist Gülen für Erdogan zu einem mächtigen Rivalen geworden. Während der Niederschlagung der Massenproteste vom Sommer ging Gülen über von ihm kontrollierte Medien, wie die Zeitung „Zaman“, auf Konfrontationskurs zur Regierung. Der Machtkampf eskalierte, als Erdogan vergangenen Monat eine Schließung der rund 3700 privaten Nachhilfeschulen in der Türkei ankündigte. Die Gülen-Bewegung betreibt rund ein Drittel dieser Schulen. Sie sind eine wichtige Einnahmequelle und ein Instrument für die Rekrutierung neuer Anhänger. Wer diesen Machtkampf gewinnt, ist offen. Für Erdogan sind die Korruptionsvorwürfe jedenfalls drei Monate vor den Kommunalwahlen ein schwerer Schlag.