München. Im Januar 2007 befragte ein Ermittler der Polizei in Zwickau eine junge Frau, die sich als “Susann E.“ ausgegeben haben soll. Es ging um einen Diebstahl und einen Wasserschaden. Am 66. Verhandlungstag im NSU-Prozess stand die Frage im Raum, ob es sich bei dieser Frau um Beate Zschäpe handelte.

Bei der Kriminalpolizei in Zwickau wurde am 11. Januar 2007 eine junge Frau befragt. Die Vernehmung begann bereits um 6.30 Uhr am Morgen. Das erklärte der 45-jährige Kriminalhauptmeister Rocco R. am 66. Verhandlungstag im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht in München. Seine Aufgabe war damals, einen Diebstahl sowie einen Wasserschaden in einem Zwickauer Mehrfamilienhaus aufzuklären.

Denn gut einen Monat vor der Befragung der jungen Frau und ihres möglichen Ehemannes war in einer Wohnung in der Zwickauer Polenzstraße 2 Wasser ausgelaufen und auch durch die Decke der Erdgeschosswohnung gedrungen. Im Erdgeschoss soll unter anderem Beate Zschäpe gewohnt haben.

Mit dem Ärger über den Wasserschaden kam in dem Mehrfamilienhaus auch der Verdacht auf, dass aus einer der oberen Wohnungen Sachen gestohlen worden waren. Der Fall landete bei der Kriminalpolizei in Zwickau.

Kein Mieter der Erdgeschosswohnung war erreichbar

Anfangs konnte der Ermittler Rocco R. aber keinen der Mieter der Erdgeschosswohnung erreichen. Deshalb, so schildert er vor Gericht, sei er persönlich in das Wohnhaus gegangen, um an der unteren Wohnungstür zu klingeln. Es habe eine Frau geöffnet. Auf seine Frage, ob diese die Lisa Dienelt sei – so hatten Hausbewohner den Namen der Mieterin angegeben – soll die Frau ihm erklärt haben, dass sie Susann E. heißen würde.

Allerdings sei ihr Spitzname „Lise“, so dass es zu dieser Verwechslung kommen würde. An der Wohnungstür stand der Name Dienelt.

Im Ausweis soll "Susann E." gestanden haben

Der Beamte ließ sich damals keinen Ausweis zeigen und vereinbarte mit der Frau den frühen Vernehmungstermin bei der Polizei. Dort, so versicherte er am Montag noch einmal vor Gericht, sei die Frau unter dem Namen Susann E. erschienen. So habe es auch in dem Ausweis gestanden, den sie vorlegte.

Die Daten des Dokuments seien von ihm ins Vernehmungsprotokoll übernommen worden. Warum er keine Zweifel an dem Dokument hatte, begründet der Beamte damit, dass er wegen des Diebstahls und des Wasserschaden ermittelt habe.

Personalausweisnummer stimmte nicht überein 

Auf Nachfrage von Zschäpe-Verteidigerin Anja Sturm räumte der Zeuge zudem ein, dass er einen Schreibfehler bei der Ausweisnummer nicht ausschließen könne. Denn die Nummer des Personalausweises im damaligen Vernehmungsprotokoll stimmt nicht mit der Nummer überein, die bei den Zwickauer Meldebehörden registriert ist.

Die Frau konnte damals keine weiterhelfenden Angaben machen, da nach ihren Angaben keine persönlichen Sachen durch den Wasserschaden betroffen waren. Der Zeuge erklärt dem Gericht zudem, dass die Frau damals mit ihrem angeblichen Ehemann bei der Polizei erschienen war. Auf Nachfrage eines der Nebenkläger konnte Rocco R. unter den Angeklagten den Mann aber nicht erkennen.

Schon vorher erkannte der Beamte die Frau nicht

Bereits bei einer Vernehmung durch das Bundeskriminalamt (BKA) im Dezember 2011 erkannte der Zwickauer Kripo-Beamte auch die Frau auf Fotos nicht wieder, die er 2007 als Zeugin befragt hatte. Im Gericht begründet er die fehlende Erinnerung damit, dass das damals eine ganz normale „Standard-Vernehmung“ gewesen sei.

Die Ermittler hegen den Verdacht, dass sich Beate Zschäpe, die Hauptangeklagte im NSU-Prozess, als Susann E. bei der Polizei hat befragen lassen. Sie soll zum damaligen Zeitpunkt mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in der Erdgeschosswohnung gelebt haben. Unklar ist auch, wer ihr Begleiter bei der Polizei war.

Diebstahl soll aufgeklärt worden sein

Der Ehemann von Susann E. ist im NSU-Prozess ebenfalls angeklagt. Diesen erkannte der Zeuge aber nicht als denjenigen, der damals mit der Frau bei der Polizei war.

Nach Angaben des Zeugen konnte der Diebstahl aufgeklärt werden. Ein Sohn eines Hausbewohners soll diesen begangen haben. Der Sohn habe auch eingeräumt, in der Wohnung über der Erdgeschosswohnung die Wasserhähne aufgedreht zu haben, so der Kripo-Beamte.

Polizei hätte Trio auf die Spur kommen können

Mit etwas mehr Gespür hätte die Polizei in Zwickau Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt auf die Spur kommen können. Zum damaligen Zeitpunkt lag gegen Uwe Böhnhardt noch ein Haftbefehl vor, weil er sich durch die Flucht der Drei im Januar 1998 während einer Polizeirazzia in Jena auch einer Haftstrafe entzogen hatte.

Zschäpe wurde 2007 nicht mehr gesucht. Mundlos galt seit 2005 aber als vermisst, da sein Vater eine entsprechende Anzeige erstattet hatte.