München. Im NSU-Prozess hat am Dienstag die Vernehmung der Mutter von Uwe Böhnhardt begonnen. Brigitte Böhnhardt soll zu den Hintergründen der rechtsextremen Terrorzelle vernommen werden. Ihr Sohn hatte sich gemeinsam mit dem NSU-Mitglied Uwe Mundlos vor zwei Jahren mutmaßlich das Leben genommen.

An diesem Dienstag sitzen sie sich schräg gegenüber, nur drei bis vier Meter voneinander entfernt. Brigitte Böhnhardt, die pensionierte Sonderpädagogin aus Jena am Zeugentisch und Beate Zschäpe, die frühere Freundin ihres Sohns, auf der Anklagebank.

Mehr als elf Jahre sind vergangen, seit sich die beiden das letzte Mal trafen, in einem Park in Chemnitz, im Juni 2002. Brigitte Böhnhardt war wieder mit ihrem Mann Jürgen nach Sachsen gefahren, um ihren Sohn Uwe zu treffen, der dort zusammen mit Uwe Mundlos und Zschäpe untergetaucht war. Die ältere Frau hatte der Jüngeren Backrezepte mitgebracht, zum Abschied umarmten sich die beiden.

Böhnhardts Mutter will nichts vom NSU gewusst haben

Dass sich die Flüchtigen insgeheim „Nationalsozialistischer Untergrund“ nannten und zu diesem Zeitpunkt schon mutmaßlich vier Menschen exekutiert hatten, das will die Mutter damals nicht gewusst haben, natürlich nicht. Erst nach jenem Morgen des 5. November 2011, als Zschäpe sie in Jena anrief und sagte, „Uwe kommt nicht mehr“, da, sagt sie, habe sie zu begreifen begonnen, was doch nicht zu begreifen sei.

Nun sehen sie sich also wieder, die Mutter und ihre Beinahe-Schwiegertochter, im Schwurgerichtssaal des Münchner Justizzentrum in der Nymphenburger Straße. Seit Mai wird dort Zschäpe der Prozess gemacht, sie ist unter anderem der Mittäterschaft an den zehn Morden angeklagt, die Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos begangen haben sollen.

Erster Sohn Peter starb 1988 im Alter von 17 Jahren

An der Schuld ihres Sohnes, das weiß Brigitte Böhnhardt, kann kaum ein vernünftiger Zweifel verstehen. Sie leidet unter den offenkundigen Taten ihres „Nesthäkchens“ - und sie hat diese Taten mehrfach öffentlich und glaubhaft bedauert. Trotzdem bleibt sie eine Mutter, die ihre beide Söhne verlor.

Der erste Sohn, Peter, lag 1988 mit 17 Jahren tot vor dem Plattenbau in Jena-Lobeda, in dem die Familie wohnte. Die Verletzungen, darunter viele Knochenbrüche, ließen darauf schließen, dass Peter bei einer nächtlichen Kletterei auf der nahen Lobdeburg-Ruine verunglückt war. Seine Freunde hatten ihn wohl vor dem Haus abgelegt, wo er an Unterkühlung starb.

Tragödie ging an Uwe Böhnhardt nicht spurlos vorbei

Diese Tragödie, das meinen auch die Ermittler, habe zur Radikalisierung des sechs Jahre jüngeren Bruders Uwe beigetragen, die nicht minder dramatisch endete. Er starb nach einer nahezu beispiellosen Verbrechenserie am 4. November 2011 in Eisenach, erschossen in einem brennenden Wohnwagen.

Für Brigitte Böhnhardt geht es jetzt darum, die Reste des Rufes ihrer Familie zu wahren. Sie will erklären, warum sie sich mehrere Male konspirativ mit ihrem Sohn und dessen Freunden traf, obwohl diese von der Polizei als mutmaßliche Bombenbauer gesucht wurden. Und sie möchte zumindest einen Teil des öffentlichen Bildes, das von ihrem Sohn existiert, korrigieren.

Brigitte Böhnhardt misstraut Polizei und Sicherheitsbehörden 

Schon im Juni dieses Jahres hatte Brigitte Böhnhardt vor dem NSU-Untersuchungsausschuss in Erfurt einen bemerkenswerten Auftritt absolviert, bei dem ihr Misstrauen gegenüber der Polizei und den Sicherheitsbehörden deutlich wurde. Ihre Zweifel, sagte sie, hätten schon im Januar 1998 begonnen, als die Bombenwerkstatt in Jena gefunden wurde und die Drei in den Untergrund gingen.

Sie glaube nicht, sagte Böhnhardt, dass in den von Beate Zschäpe angemieteten Garagen wirklich Sprengstoff gefunden worden sei. Zu den drei Dolchen, die von der Polizei in ihrer gemeinsamen Wohnung fand, teilte sie mit: „Mein Sohn wusste, dass ich Angst vor Messern hatte, das hätte er mir nicht angetan.“

Vater Mundlos wittert Geheimdienst-Erfindung

Zwar ging die Mutter nicht so weit wie der Vater von Uwe Mundlos, der kürzlich vor dem Thüringer Untersuchungsausschuss darüber spekulierte, dass die Bombenwerkstatt nur eine Erfindung der Geheimdienste gewesen sei. Doch auch sie kann offensichtlich nicht glauben, dass ihr Sohn ganz allein auf die Idee mit den Überfällen, Bombenanschlägen und Morden kam.

Nun also soll Brigitte Böhnhardt im Saal A 101 des Münchner Oberlandesgerichts aussagen.Es sind keine anderen Zeugen für den Tag geladen. Vor ihr werden die Richter sitzen, rechts die Bundesanwaltschaft, schräg links die Angeklagten – und hinter ihr die Anwälte der Opfer jener Taten, für die ihr Sohn verantwortlich gemacht wird.

Welche Rolle spielte Beate Zschäpe im NSU-Trio?

Dem Gericht wird es vor allem um ihre Einschätzung der Angeklagten gehen und um die heimlichen Treffen mit ihr in Sachsen. War Beate Zschäpe, wie es ihre Verteidigung darstellen will, nur das Anhängsel der beiden Männer, die kaum eine Schuld trifft? Oder war sie gleichberechtigtes Mitglied einer terroristischen Vereinigung, wie es Anklage sieht?

„Also, ich mochte sie“, hatte Brigitte Böhnhardt im Juni über Beate Zschäpe gesagt.