Kairo. . In Ländern wie Eritrea, Somalia oder Ägypten wird es für immer mehr Menschen unerträglich, länger in der Heimat zu bleiben. Schlepper machen gute Geschäfte – ob ihre Opfer die Flucht überleben oder nicht. Aus Angst vor Abschiebung ist eine Gruppe Asylbewerber in Berlin in den Hungerstreik getreten.

Najah Kourdi kann es immer noch nicht fassen. Ihre Flüchtlingsgruppe hatte gerade mit dem klapprigen Boot nahe Alexandria abgelegt und war die ersten Seemeilen unterwegs Richtung offenes Meer, als ein ägyptisches Polizeiboot sie entdeckte und beschoss. Ihr Mann fand in dem Kugelhagel den Tod, die Barkasse kenterte und sank. Zwölf der 116 Insassen ertranken. Die Hochschwangere und ihre kleine Tochter wurden aus dem Wasser gezogen und gerettet.

Wie die meisten an Bord stammt ihre junge Familie aus Syrien und wollte nur eins – weg aus Ägypten. 9300 Dollar zahlten die drei an ägyptische Schlepper, die den Verzweifelten das Blaue vom Himmel versprachen.

Schlepper: Jeder Flüchtling bekommt ein Haus

Die windigen Schicksalsspieler hätten ihnen Asyl in Schweden vorgegaukelt und behauptet, dort bekomme jeder Neuankömmling ein Haus, Geld und Arbeit, berichtete Najah Kourdi gegenüber der BBC. „Wir hatten keine Ahnung von den Risiken. Wenn ich das vorher gewusst hätte, hätte ich das Boot mit meiner kleinen Tochter niemals betreten.“

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Hass gegen Syrer

Menschenschmuggel nach Italien ist in Ägypten ein schnell wachsendes Geschäft. Seit dem Sturz von Mohammed Mursi am 3. Juli wird das Land von einer beispiellosen Welle von fremdenfeindlichem Hass überschwemmt. Auf der Straße werden die Bürgerkriegsflüchtlinge angepöbelt, auf den Ämtern verweigert man ihnen die Aufenthaltsgenehmigung und drückt ihnen stattdessen einen Abschiebestempel in den Pass, der sie zur Ausreise innerhalb von 14 Tagen zwingt. Bei Kontrollen beschimpfen Polizisten die Syrer regelmäßig als Terroristen oder fünfte Kolonne der Muslimbrüder. Ihre kleinen Läden, die sie zum Lebensunterhalt in der Fremde gegründet haben, werden mittlerweile systematisch boykottiert.

Kein Wunder, dass seit drei Monaten die Zahl der syrischen Bootsflüchtlinge dramatisch ansteigt, die von Ägyptens Küste in See stechen und versuchen, in klapprigen Motorkähnen die 1600 Kilometer lange Überfahrt nach Italien zu überleben. Ein anderer Teil schlägt sich mit Hilfe von Schleppenbanden illegal über die Grenze nach Libyen durch, weil die Seewege von hier nach Europa kürzer sind.

35.000 Bootsflüchtlinge

Nach Schätzungen des UNHCR erreichten in den ersten neun Monaten dieses Jahres bereits 35.000 Flüchtlinge per Boot italienischen Boden, drei Mal mehr als im gesamten Jahr 2012. Mit jeweils 10.000 Menschen stellen Syrer und Eritreer die größten Gruppen, gefolgt von Somalia mit 4000 Hilfesuchenden.

Schiffsunglück vor Lampedusa

Bei einem Schiffsunglück vor der italienischen Insel Lampedusa sind Dutzende Flüchtlinge ums Leben gekommen.
Bei einem Schiffsunglück vor der italienischen Insel Lampedusa sind Dutzende Flüchtlinge ums Leben gekommen. © dpa
Bei einem Schiffsunglück vor der italienischen Insel Lampedusa sind Dutzende Flüchtlinge ums Leben gekommen.
Bei einem Schiffsunglück vor der italienischen Insel Lampedusa sind Dutzende Flüchtlinge ums Leben gekommen. © dpa
Bei einem Schiffsunglück vor der italienischen Insel Lampedusa sind Dutzende Flüchtlinge ums Leben gekommen.
Bei einem Schiffsunglück vor der italienischen Insel Lampedusa sind Dutzende Flüchtlinge ums Leben gekommen. © AFP
Bei einem Schiffsunglück vor der italienischen Insel Lampedusa sind Dutzende Flüchtlinge ums Leben gekommen.
Bei einem Schiffsunglück vor der italienischen Insel Lampedusa sind Dutzende Flüchtlinge ums Leben gekommen. © AFP
Bei einem Schiffsunglück vor der italienischen Insel Lampedusa sind Dutzende Flüchtlinge ums Leben gekommen.
Bei einem Schiffsunglück vor der italienischen Insel Lampedusa sind Dutzende Flüchtlinge ums Leben gekommen. © AFP
Bei einem Schiffsunglück vor der italienischen Insel Lampedusa sind Dutzende Flüchtlinge ums Leben gekommen.
Bei einem Schiffsunglück vor der italienischen Insel Lampedusa sind Dutzende Flüchtlinge ums Leben gekommen. © AFP
Bei einem Schiffsunglück vor der italienischen Insel Lampedusa sind Dutzende Flüchtlinge ums Leben gekommen.
Bei einem Schiffsunglück vor der italienischen Insel Lampedusa sind Dutzende Flüchtlinge ums Leben gekommen. © AFP
Bei einem Schiffsunglück vor der italienischen Insel Lampedusa sind Dutzende Flüchtlinge ums Leben gekommen.
Bei einem Schiffsunglück vor der italienischen Insel Lampedusa sind Dutzende Flüchtlinge ums Leben gekommen. © AFP
Bei einem Schiffsunglück vor der italienischen Insel Lampedusa sind Dutzende Flüchtlinge ums Leben gekommen.
Bei einem Schiffsunglück vor der italienischen Insel Lampedusa sind Dutzende Flüchtlinge ums Leben gekommen. © AFP
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Die meisten der 364 Opfer bei der Schiffstragödie vor Lampedusa Anfang Oktober dagegen stammten aus Eritrea, dem Armenhaus am Horn von Afrika. Seit der Unabhängigkeit von Äthiopien 1993 werden die Menschen regiert von Isaias Afewerki, Staatschef, Oberkommandierender der Armee und Chef der Einheitspartei in Personalunion.

Eritrea – das Nordkorea Afrikas

Unter seinem diktatorischem Regime müssen alle Männer bis zum 50. Lebensjahr Arbeits- und Armeedienst absolvieren, zu Hungerlöhnen und schikaniert von sadistischen und brutalen Offizieren. Selbst Männer zwischen 50 bis 65 werden noch Jahr für Jahr zur so genannten Volksarmee eingezogen. Viele Bewohner empfinden ihr Land als Riesengefängnis. Wer kann, haut ab – dabei landen Abertausende auch in den Fängen von Beduinen auf dem Sinai, wo sie bestialisch gequält werden, um von Verwandten Lösegelder zu erpressen.

Religionsfreiheit, Versammlungsfreiheit und Pressefreiheit existieren nicht in Eritrea, was als das Nordkorea von Afrika gilt. Einer der Überlebenden von Lampedusa, ein 27-Jähriger, sagte seinen Rettern, er sei geflohen – nach acht Jahren Militärdienst und keiner Aussicht, irgendwann einmal entlassen zu werden.