Straßburg. . Schockbilder und Warnhinweise auf Zigarettenpackungen sollen in Zukunft das Rauchen in Europa unattraktiv machen und vor allem Jugendliche abschrecken. Das EU-Parlament stimmte am Dienstag für schärfere Bestimmungen bei diesem heiß umstrittenen Thema. Die Parlamentarier schwächten allerdings in manchen Punkten strengere Vorschläge der EU-Kommission ab.
Peter Liese, Europa-Abgeordneter der CDU aus dem sauerländischen Meschede, ist in Brüssel seit Jahren einer der hartnäckigsten Befürworter einer schärferen Gangart gegenüber der Tabak-Industrie. Nun kann Liese jubeln: „Der Beschluss des Europäischen Parlaments sichert ein hohes Gesundheitsschutzniveau.“
Tatsächlich ist die Liste der Auflagen, die das EU-Parlament gestern absegnete, lang: größere Warnhinweise und Schock-Bilder auf den Zigaretten-Schachteln, Verbot der schlanken „Party-Päckchen“, langfristig das Aus für Menthol und andere Aroma-Zusätze – das sind die Hauptpunkte des Parlaments für eine strengere Tabak-Gesetzgebung in der Europäischen Union.
Ab 2016 in Kraft
Nach heftigem Lobby-Einsatz der Zigaretten-Industrie verzichtete das Straßburger Parlament aber auf eine Reihe radikalerer Maßnahmen. Bis Jahresende soll das endgültige Gesetz mit dem Ministerrat ausgehandelt und verabschiedet werden. 2016 könnte es dann in Kraft treten.
Die Verschärfung der europäischen Tabak-Richtlinie war einer der umstrittensten parlamentarischen Beschlüsse der letzten Jahre. Die Tabakindustrie hatte gegen strengere Auflagen bereits systematisch Front gemacht, bevor die EU-Kommission Ende 2012 ihren Entwurf vorlegte.
Noch am Vorabend der Entscheidung vom gestrigen Dienstag versuchten Lobbyisten, mit gezielten Anrufen bei Abgeordneten „die Abstimmung zu destabilisieren“, berichtete die federführende britische Sozialdemokratin Linda McAvan. Andererseits seien auch die Interessengruppen der Gegenseite zum Teil „sehr aggressiv“ aufgetreten.
Warnung vor Jobabbau
Die Industrie hat vor allem vor dem Verlust von Arbeitsplätzen und Steuereinnahmen gewarnt. Allein in Deutschland stünden 100.000 Jobs auf dem Spiel. Gewaltig übertrieben, meinte der in der CDU zuständige Abgeordnete Karl-Heinz Florenz. Es gehe um höchstens 40.000 direkt und indirekt Betroffene. Aber „natürlich hat der Lobby-Druck Spuren hinterlassen“.
Das gilt vor allem für die E-Zigaretten, für die Industrie ein Produkt mit besonderen Chancen. Sie sollen nach dem Votum des Parlaments frei verkäuflich sein und nicht, wie etwa Nikotin-Pflaster, in der Apotheke. Letzteres verlangt bislang eine große Mehrheit der Mitgliedstaaten.
Schockbilder auf Zigaretten
Der Punkt werde wohl der schwierigste in den bevorstehenden Verhandlungen mit dem Ministerrat, vermutete McAvan. Und CDU-Mann Liese meint: Es wäre „schon schwer verständlich, warum das gesundheitsschädliche Produkt Zigarette weiter am Kiosk verkauft werden soll, das weniger gesundheitsschädliche Produkt E-Zigarette aber in der Apotheke“.
Aus für Schoko- und Erdbeer-Aromen
Außerdem will das Parlament nun doch nicht die schlanken „Slim“-Zigaretten verbieten, ein weiteres Produkt mit stark wachsendem Marktanteil. Aus dem Verkehr gezogen werden lediglich die damit bestückten schmalen Verpackungen, die oft wie Lippenstifte oder andere Kosmetika aussehen und bei Jugendlichen großen Erfolg haben. Diese vom Einstieg ins Rauchen abzuhalten, ist oberstes Ziel der geplanten Vorschriften.
So dürfen Zigaretten nach einer dreijährigen Übergangsfrist nicht mehr mit starken Aromen versetzt sein, die ihnen einen Cola-, Erdbeer- oder Schoko-Geschmack verleihen. Menthol soll allerdings acht Jahre Gnadenfrist bekommen.
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Zusatzstoffe würden nur noch zugelassen, wenn sie eine Unbedenklichkeitsprüfung überstehen. Die Warnhinweise – Text plus Bilder von Raucherbeinen oder -lungen – sollen 65 Prozent am Oberteil der Schachtel einnehmen, so dass sie auch im Regal noch sichtbar sind.
EU-Gesundheitskommissar Tonio Borg gab sich zuversichtlich, dass die Vorschriften noch vor Weihnachten unter Dach und Fach sein werden. „Die Bürgerinnen und Bürger in der EU erwarten von uns allen, dass wir in dieser Frage tätig werden und möglichst rasch ein Gesetz verabschieden, das der EU weltweit eine führende Rolle zuweist.“