Berlin. Katrin Göring-Eckardt steht bei den Grünen für Kontinuität, Kerstin Andreae für Neuaufbruch. Nur eine dürfte am Dienstag den Sprung an die Fraktionsspitze schaffen, die bei der Partei üblicherweise aus einer Frau und einem Mann gebildet wird. Zwischen den beiden Realos kommt es zur Kampfabstimmung.

Die Grünen entscheiden an diesem Dienstag mit einer Kampfabstimmung über einen zentralen Posten bei ihrer Neuaufstellung. Bestimmt werden die Nachfolger von Renate Künast und Jürgen Trittin an der Fraktionsspitze im Bundestag. Bei einem Treffen der Abgeordneten des Realo-Flügels am Montagabend bekräftigten sowohl die Spitzenkandidatin des Wahlkampfs, Katrin Göring-Eckardt, als auch die Wirtschaftsexpertin Kerstin Andreae ihre Kandidatur, wie Teilnehmer übereinstimmend berichteten. Als Kandidat der Parteilinken für die Doppelspitze ist der Verkehrspolitiker Anton Hofreiter gesetzt.

Die rund 30 Teilnehmer des Realo-Treffens verzichteten auf eine zuvor erwogene Probeabstimmung. Die Grünen erhoffen sich nach ihrer Niederlage bei der Bundestagswahl von der personellen Neuaufstellung eine gute Basis, um in den kommenden Jahren wieder Boden beim Wähler gut zu machen.

"Wünsche mir eine Fraktionsspitze, die für eine neue Streitkultur steht"

Das Duo an der Fraktionsspitze muss laut den Regeln der Grünen mit einer oder zwei Frauen besetzt sein. Insofern könnten auch Göring-Eckardt und Andreae die Fraktion gemeinsam anführen. Aber den ungeschriebenen Gesetzen der Grünen zufolge sollen Parteirealos und -linke vertreten sein, so dass es zum Showdown zwischen Göring-Eckardt und Andreae kommen dürfte.

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Der neue Abgeordnete Dieter Janecek, Vorsitzender der bayerischen Grünen, sagte: "Ich wünsche mir eine Fraktionsspitze, die für eine neue Streitkultur steht und für eine Politik wirbt, mit der wir wieder bündnisfähiger in der Mitte der Gesellschaft werden." Ökologische Modernisierung sei grünes Megathema.

Göring-Eckardt hat sich mit sozialen Forderungen positioniert

Namhafte Vertreter der Realos hatten vergeblich auf eine klare Absprache innerhalb des Flügels gepocht. Ihr Argument: Eine Kampfabstimmung könnte die Realos gegenüber den Parteilinken schwächen - ausgerechnet in dem Moment, in dem diese wegen des wenig erfolgreichen linken Wahlkampfkurses in Bedrängnis geraten sind.

Während Andreae als wirtschaftsfreundlich gilt und etwa von regierenden Grünen in Baden-Württemberg unterstützt wird, hat sich Göring-Eckardt auch mit sozialen Forderungen positioniert und manche Realos enttäuscht. Allerdings steht Göring-Eckardt für Kontinuität. Zu rot-grünen Regierungszeiten war sie bereits Fraktionschefin. Andreae ist eher ein Gesicht für einen Neuanfang, dies gilt aber auch bereits für den designierten Fraktionschef Hofreiter.

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Andreae warnt vor schwarz-roter Übermacht

Die neue Fraktionsspitze soll Teil der Sondierungsgruppe für die Gespräche mit der Union über eine mögliche Koalition an diesem Donnerstag sein. Andreae sendete in der "Passauer Neuen Presse" (Dienstag) Kompromisssignale: "Steuererhöhungen sind kein Selbstzweck." Man müsse sich auf konkrete Projekte einigen, die man finanzieren wolle. "Schwarz-Grün wird davon abhängen, ob wir bei dem ungleichen Kräfteverhältnis zwischen Union und Grünen genug grüne Inhalte reinverhandeln können und wie viele Kröten wir schlucken müssten." Sie warnte, Schwarz-Rot wäre eine 83-Prozent-Koalition im Bundestag.

Göring-Eckardt hatte bei den Realos mit der Ankündigung ihrer Kandidatur in der Woche nach der Bundestagswahl vor der gesamten Fraktion manche vor den Kopf gestoßen. Denn auch Andreaes Ambitionen waren zu dem Zeitpunkt bereits bekannt. Eine interne Absprache, die als Zeichen der Geschlossenheit des Parteiflügels gewertet werden könnte, war nun aber nicht mehr greifbar. Andreae zog dann nach. (dpa)