Vatikanstadt. . Der Papst spricht Klartext, sogar von Revolution ist die Rede: Franziskus' jüngste Ausführungen über die katholische Kirche sorgen für Wirbel. Lob kommt von vielen Seiten - auch aus Deutschland.

Welle der Zustimmung für Franziskus: Die offenen und kritischen Äußerungen des Papstes zur katholischen Kirche haben viele positive Reaktionen ausgelöst und neue Hoffnungen auf Reformen geweckt. Italienische Zeitungen werteten das erste große Interview des Kirchenoberhauptes als historischen Stimmungswechsel. Der angesehene Mailänder "Corriere della Sera" nannte den Aufruf am Freitag sogar revolutionär. In Deutschland zeigten sich Laienvertreter zuversichtlich, dass der argentinische Pontifex in der Kirche einen Erneuerungsprozess einleitet. Auch der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, lobte seine offenen Worte.

Franziskus hatte die Kirche eindringlich zu einem Kurswechsel aufgefordert. In dem am Donnerstag in mehreren jesuitischen Zeitschriften veröffentlichten Interview forderte er, dass sich die Kirche nicht nur mit Fragen der Abtreibung, der homosexuellen Ehen, der Scheidung und Verhütung befassen könne. "Das geht nicht", kritisierte Franziskus und betonte, die Kirche solle vielmehr ein "neues Gleichgewicht" für ihre zahlreichen Lehren finden und helfen, die Wunden der Menschen zu heilen.

Zollitsch sieht Papst-Worte als "beeindruckendes Zeugnis des Glaubens"

Zollitsch kündigte an, dass sich die deutschen Bischöfe bei ihrer Vollversammlung in der kommenden Woche mit den Aussagen beschäftigen werden. "Das Interview des Heiligen Vaters ist ein beeindruckendes Zeugnis des Glaubens und gibt einen spannenden Einblick in die Biografie und das Denken von Papst Franziskus", sagte Zollitsch der Nachrichtenagentur dpa.

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken als höchstes Gremium der katholischen Laien in Deutschland erwartet, dass geschiedene Wiederheiratete und konfessionsverschiedene Ehepaare künftig zur Kommunion zugelassen werden. "Es kommen sehr ermutigende Zeichen aus Rom", sagte Präsident Alois Glück der dpa. "Papst Franziskus ist ein Wegbereiter der angstfreien Kommunikation - und genau das war einer der größten Wünsche vieler engagierter Katholiken. Er greift Themen unbefangen auf, die bisher tabuisiert und verdrängt wurden."

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"Der Papst stößt die Revolution an"

Ein Sprecher der kritischen Initiative "Wir sind Kirche" sagte: "Bergoglio leitet einen Erneuerungsprozess sein. Er weist darauf hin, dass die Kirche mehr ist als eine Moral-Instanz, die Verbote ausspricht."

Auch in Italien bekam Jorge Mario Bergoglio viel Lob für sein kritisches Interview. "Der Papst stößt eine Revolution an", sagte Fabrizio Marrazzo, Sprecher des Gay Center in Italien. Er sei "viel weiter als viele Politiker". Franziskus hatte in dem Interview auch daran erinnert, was er vor einigen Wochen über Homosexuelle gesagt hatte: "Wenn eine homosexuelle Person guten Willen hat und Gott sucht, dann bin ich keiner, der sie verurteilt."

Der Vatikan-Journalist Andrea Torinelli von der Tageszeitung "La Stampa" bezeichnete die Aussagen als "Revolution, die von Vatikan ausgeht". Die zentrale Botschaft Bergoglios sei das Bild von der "Kirche als Feldlazarett nach einer Schlacht". (dpa)