Berlin. . Drei Tage vor der Bundestagswahl am 22. September deutet sich ein offener Wahlausgang an. Schafft es Schwarz-Gelb doch noch? Kommt die AfD in den Bundestag? Was wird aus den Grünen? Die letzten Umfragen zeigen: So knapp war es selten.
Mit wachsender Nervosität haben Wahlkämpfer ihr entgegengefiebert, große Überraschungen hat sie nicht gebracht. Auch die letzte Umfrage vor der Bundestagswahl im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zeigt, dass Schwarz-Gelb fast gleichauf liegen mit SPD, Grünen und Linken. Laut ZDF-"Politbarometer" steht es nun 45,5 zu 44,5 - der Unterschied liegt auch nach dem Siegeszug von CSU-Chef Horst Seehofer bei der Bayern-Wahl innerhalb der Fehlermarge bei solchen Umfragen.
Am Sonntagabend flimmern über die Bildschirme in Millionen Wohnzimmern und Gaststätten die Tabellen mit den Hochrechnungen zur Bundestagswahl. Eines zeichnet sich jetzt schon ab: Angesichts des Millimeterfinales könnte es komplizierte Verhältnisse geben. Last-Minute-Umfragen heizen den Wahlkampf bis zum Schluss an.
Meinungsforscher sagt, AfD-Wähler speisen sich aus Nichtwähler-Gruppe
Den Auftakt für den Umfrage-Schlussspurt machte am Donnerstag die "Bild"-Zeitung, für die das Erfurter Meinungsforschungsinstitut Insa-Consulere ermittelt. Die Alternative für Deutschland (AfD) könnte es laut Insa mit 5 Prozent ins Parlament schaffen, für Liberale und Union würde es zusammen nicht für eine Regierungsmehrheit reichen.
Die AfD im Parlament? Es könnte die Sensation des Abends werden - und ein Schock für viele. Denn die Euroskeptiker mit vielen abtrünnigen Unionsleuten in ihren Reihen gelten vielen vom Mitte-Links-Spektrum als rechts und populistisch. Wer neigt der AfD zu? Insa-Chef Hermann Binkert sagt: "Die größte Gruppe derer, die angeben, AfD wählen zu wollen, sind mit 28 Prozent die Nichtwähler von 2009. Es wird entscheidend sein, ob die am Sonntag tatsächlich zur Wahl gehen." Die Forschungsgruppe Wahlen, die für das ZDF ermittelte, sehen die AfD dagegen bei vier Prozent.
Die Demoskopen sorgen diesmal richtig für Aufregung. Bisher gab es bei ARD und ZDF in der letzten Woche vor dem Wahlsonntag keine Umfragen mehr - die Wähler sollten nicht beeinflusst werden. Doch jetzt ist das anders. Das Vorpreschen des ZDF dürfte die ARD künftig unter Druck setzen.
Die "Bild am Sonntag" will erstmals sogar noch am Wahltag eine aktuelle Umfrage bringen. Emnid-Chef Klaus-Peter Schöppner meint dazu, diese letzte Meinungsumfrage vor der Wahl sei nicht zu verwechseln mit einer Prognose, wie sie am Sonntag durch Befragung nach der Stimmabgabe erstellt wird.
ZDF-Politibarometer sieht kurz vor der Wahl ein offenes Rennen
Wie groß ist die Unsicherheit noch? Auch die ZDF-Umfrage bestätigt einige Trends der vergangenen Wochen - dass das Rennen offen ist, dass es für die SPD etwas Aufwind und für die Grünen reichlich Gegenwind gibt. Und dass es für Rot-Grün - zusammen kämen sie auf 36 Prozent - kaum reichen dürfte. Aber Fehlermarge und Unentschlossene machen angesichts der knappen Verhältnisse Rückschlüsse schwer. In der SPD bereiten sich viele auf eine große Koalition vor.
Wie entscheidend sind die letzten Meter? Feste Parteibindungen nehmen Forschern zufolge heute im Vergleich zur Zeit vor zwei oder drei Jahrzehnten weniger Raum ein.
Doch schon vergangenes Mal gaben 21,4 Prozent der Wähler per Briefwahl ihre Stimme ab. Die Grünen etwa hoffen darauf, dass viele ihrer Anhänger schon gewählt haben. Dann würde sich die Frage gar nicht erst stellen, ob die Attacken verfangen gegen Spitzenmann Jürgen Trittin wegen eines Kommunalwahlprogramms von 1981 mit einer pädophilen Forderung. Beim ZDF sacken sie um zwei Punkte auf 9 Prozent.
Mit einer anderen Umfrage deutet sich aber an, dass das Bild von massenweise Wählern ohne festen politischen Grund und Beschäftigung mit den Inhalten wohl auch nicht so ganz stimmt. Zwei von drei Befragten gaben beim Institut YouGov im Auftrag der Kommunikationsagentur media consulta an, ihre Wahlentscheidung frühzeitig zu treffen. Länger unentschlossen bleiben demnach vor allem Jüngere. Viele hätten sich auch mit den Programmen befasst.
Parteien grenzen sich von Anti-Euro-Partei AfD ab
Unterdessen haben sich am Donnerstag Spitzenvertreter der Parteien im Bundestag klar gegen die Anti-Euro-Partei Alternative für Deutschland (AfD) gestellt. FDP-Spitzenkandidat Rainer Brüderle sagte am Donnerstagabend in einer "Berliner Runde" von ARD und ZDF: "Wir sind pro Europa, wir wollen nicht zurück." Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte: "Der Euro ist Garant für Arbeitsplätze."
SPD-Chef Sigmar Gabriel warnte: "Was die AfD und andere da wollen, ist ein Riesenrisiko für tausende Arbeitsplätze für Deutschland." Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt betonte Reformbedarf in der Europäischen Union und forderte gemeinsame Sozialstandards. Linke-Fraktionschef Gregor Gysi unterstrich, nötig sei ein Marshallplan für die Krisenländer. Die AfD will die Abschaffung des Euro.
In der kontroversen Debatte bekräftigten die Politiker ihre Positionen. Brüderle zeigte sich gelassen bei der Frage, ob die FDP bei der Bundestagswahl über die Fünf-Prozent-Hürde kommt. "Für Panik besteht überhaupt kein Anlass." Gabriel bekräftigte, es werde keine Koalition und keine Tolerierung mit der Linken geben. (dpa)