Essen. . Politikverdrossenheit wird vor allem den jüngsten Wahlberechtigten nachgesagt. Stimmt aber so nicht. Erstwähler gehen sogar gerne ins Wahllokal und geben ihre Stimme ab, sagen Meinungsforscher. Erst die 21- bis 25-Jährigen, also die “Zweitwähler“, halten sich zurück.

Kein Bock auf Bundestagswahl? Die Stimme des Einzelnen zählt eh nicht? Politikverdrossenheit wird vor allem den jüngsten Wahlberechtigten nachgesagt. Stimmt aber so nicht. Denn: Erstwähler gehen sogar gerne ins Wahllokal und geben ihre Stimme ab, sagen die Meinungsforscher. Neugier spiele bei ihnen eine große Rolle. Erst die 21- bis 25-Jährigen, die Zweitwähler, halten sich zurück. Obwohl sie sich für die Politik interessieren. Nur fühlen sie sich oft ausgegrenzt von den Inhalten der Parteien. Dann gehen viele lieber gar nicht wählen. Und landen in einem Teufelskreis.

Zweitwähler schießen sich ins Aus

Thorsten Schmidt ist so einer. Er darf zum zweiten Mal bei einer Bundestagswahl sein Kreuzchen setzen. Der 24-jährige Student hat sich informiert, die Parteiprogramme intensiv gelesen. Er möchte wählen. Dennoch bleibt er am Sonntag zu Hause. „Die Parteien sind sich in vielen Dingen uneinig. Nur, dass sie sich nicht um die jungen Leute kümmern, das haben sie gemeinsam“, begründet der Essener seine Entscheidung. Und so eine „Lari-Fari-Partei wie die Piraten“ will er nicht an der Macht sehen.

Mit dieser Haltung steht er Studien des Forsa-Instituts zufolge nicht alleine da. Nur 59 Prozent der Zweitwähler gaben vor vier Jahren ihre Stimme ab. Bei den Erstwählern waren es immerhin 63 Prozent. Beides deutlich weniger als die Wahlbeteiligung insgesamt, die bei 72 Prozent lag. Mit diesem Verhalten schießen sich die Zweitwähler teils nach Expertenansicht selbst ins Aus.

Parteien bemühen sich um Ältere

Denn wenn die Jugend nicht wählen geht, bemühen sich die Parteien mit ihren Inhalten um die Älteren, erklärt der Politikwissenschaftler Uwe Andersen. „Die Inhalte der älteren Parteien wie CDU und SPD sind zu wenig auf die jungen Wähler unter 30 Jahren zugeschnitten. Das ändert sich aber nur, wenn diese Generation durch ihr Kreuz ein Zeichen setzt und somit diese Parteien unter Druck setzt“, erklärt der ehemalige Dozent der Ruhr-Universität Bochum. Nicht ohne Grund schaffen es laut Forsa vor allem relativ junge Parteien wie die Piraten und die Grünen, diese Wähler-Zielgruppe auf ihre Seite zu ziehen.

Doch nicht nur die Inhalte sind schuld, dass viele Zweitwähler den Wahllokalen fern bleiben. „Die Politik ist weit entfernt von ihrer subjektiven Lebensrealität. Auf gut Deutsch: Es gibt einfach andere Dinge, die im Leben der jungen Menschen wichtiger sind“, so Andersen. Das ist seiner Meinung nach aber ein großer Fehler. Schließlich sei das Wahlrecht ein Privileg und keine Pflicht. „Es ist schwierig, die Zweitwähler zu motivieren. Sie fühlen sich nicht verstanden von den Politikern und vergessen, dass sie mit ihrer Stimme sehr wohl Einfluss auf die Parteiinhalte haben könnten“, meint der Politikwissenschaftler.

Neugier ist ein Antrieb

Ganz anders sieht es bei den Frischlingen unter den Wählern aus. Die Zahl der Erstwähler, die ihr Wahlrecht nutzen, liegt laut Forsa seit der Senkung des Wahlalters von 21 auf 18 Jahre im Jahr 1972 immer über der der Zweitwähler. Lisa Timoczek aus Dortmund freut sich schon richtig auf den Wahlsonntag. „Ich darf zum ersten Mal mitbestimmen, das lasse ich mir nicht entgehen“, erklärt die 19-jährige Abiturientin. Für die drei Millionen Erstwähler, die in diesem Jahr ihr Stimmrecht nutzen können, ist laut Forsa-Umfragen vor allem die Neugier ein Antrieb. Außerdem wohnen sie meistens noch zu Hause und werden von den Eltern mitgenommen.

So wie Felix Niland. Der 18-Jährige fährt gemeinsam mit seiner Familie zu seiner ersten Wahl. Der Bochumer Schüler weiß genau, warum er wählen will. „In Deutschland habe ich das Recht zu wählen. In anderen Ländern ist das nicht möglich. Wer dieses Recht nicht nutzt, darf sich auch nicht beschweren.“