Washington. Die Verhandlungen über eine gewaltfreie Lösung in Syrien zwischen Moskaus und Washington drohen bereits im Frühstadium zu stocken. Russland will einer UN-Resolution nicht zustimmen, die Assad mit Gewalt droht - und fordert einen einseitigen Gewaltverzicht der USA.

Am Genfer See wird sich am Donnerstag zeigen, ob die amerikanisch-russischen Verhandlungen über eine diplomatische Lösung im syrischen Chemiewaffen-Konflikt bereits festgefahren sind, bevor sie richtig begonnen haben. Was eine militärische Aktion der USA, die auf Anweisung von Präsident Obama derzeit auf Eis liegt, binnen weniger Tage wieder wahrscheinlicher machen könnte.

US-Außenminister John Kerry und sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow treffen in der Schweiz zusammen, um den Rahmen für ein gemeinsames Vorgehen im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen abzustecken. Beiderseitiges Ziel: Das Assad-Regime soll seine Giftgas-Bestände umgehend unter internationale Kontrolle stellen und später vernichten lassen. Grundvoraussetzung: ein Waffenstillstand. Ohne den, heißt es auf US-Seite, könnten Waffen-Inspekteure nicht arbeiten.

Auch interessant

Gelingt das Projekt, so sagte Präsident Obama am Dienstagabend in seiner „Rede an die Nation“, könne der geplante US-Militärschlag gegen Assad als Strafaktion für die 1500 Giftgas-Toten vom 21. August abgewendet werden. Obama weist Assad die alleinige Schuld an der Tragödie zu, hat aber bisher keine klassischen Beweise vorgelegt. Der syrische Präsident streitet die Verantwortung ab. Er weiß dabei Schutzmacht Russland an seiner Seite. Mehr Klarheit versprechen sich alle Beteiligten von den Ergebnissen der UN-Waffen-Inspekteure, die am 16. September vorgelegt werden sollen.

Russland sperrt sich gegen UN-Resolution

Die Erfolgsaussichten für das Außenministertreffen in Genf wurden am Mittwoch in Washingtoner Regierungskreisen als „überschaubar“ bezeichnet. Russland sperrt sich gegen eine von Frankreich lancierte UN-Resolution, die Assad mit Gewalt droht, sollte der Diktator die angekündigte Übergabe des Chemiewaffen-Arsenals hintertreiben, um so Zeit zu gewinnen, den Bürgerkrieg mit konventionellen Waffen für sich zu entscheiden.

Letzteres unterstellt nicht nur die syrische Opposition. Auch westliche Regierungen zweifeln inoffiziell an der Aufrichtigkeit des Regimes in Damaskus. Die Veto-Mächte USA, Frankreich und England sind davon überzeugt, dass sich Assad nur dann bewegt, wenn eine glaubhafte militärische Drohung bestehen bleibt. Russlands Präsident Putin fordert dagegen von Washington einseitig Gewaltverzicht. Andernfalls sei Assad die Abtretung seiner Chemiewaffen nicht zuzumuten. Aus US-Sicht „unannehmbar“.

Auch interessant

In seiner Rede machte Obama, der zurzeit keine Mehrheit in Senat und Repräsentantenhaus für eine Intervention in Syrien fände, klar, dass die US-Militärpräsenz im Mittelmeer in Raketenreichweite Syriens erhalten bleibt, um kurzfristig handlungsfähig zu sein, wenn die Diplomatie scheitern sollte. Obama sagte, Amerika sei keine „Weltpolizei“, jedoch seit 70 Jahren der „Anker der globalen Sicherheit“. Daraus leite sich die Verpflichtung ab, Verstöße gegen internationale Vereinbarungen wie die Ächtung von Chemiewaffen zu ahnden. „Die Ideale, die Prinzipien und die nationale Sicherheit der USA stehen in Syrien auf dem Spiel“, erklärte der Präsident.

Auch interessant

Experten zweifeln an Neutralisierung des Gifgas-Depots

Ein begrenzter Schlag gegen das Assad-Regime, der nicht mit einem „Nadelstich“ verwechselt werden dürfe, werde Damaskus davon abhalten, erneut Chemie-Waffen einzusetzen und dabei Verbündete im Nahen Osten oder die USA selbst zu gefährden. Bei einem etwaigen Einsatz kämen auf keine Fall Bodentruppen zum Einsatz. Auch werde es, anders als in Libyen oder im Kosovo, keine wochenlangen Luftschläge geben. Obama betonte, er wisse um die Kriegsmüdigkeit der Amerikaner.

Experten der UN zweifeln an der Machbarkeit einer schnellen Neutralisierung des syrischen Giftgas-Depots. Zum einen würden dafür Hunderte Beamte oder Soldaten benötigt, zum anderen dauere das Unschädlichmachen angesichts der riesigen Menge von geschätzt 1500 Tonnen Jahre.