Essen. . Die Datensammelwut wächst, selbst modernste Verschlüsselungsverfahren sind nicht mehr vor den Profis der NSA sicher. Aber Staaten, die einfach alles wissen wollen, sind ein Alptraum. Eine Analyse.

„Absolut sicher“, sagt die Dame, die mich zum Online-Banking überreden will. „Geschützt“ gelangt meine Kreditkartennummer an die Hotelzimmer-Vermittlung oder zur Bahn. Das Überwinden der modernen Netzverschlüsselung galt bisher als so gut wie unmöglich. Aber das muss wohl korrigiert werden. Edward Snowden mag ein Schuft sein, ein Verräter. Aber er öffnet uns die Augen. Nicht nur hier und da, nicht nur auf Verdacht filtert eine mit nahezu unbegrenzten Mitteln ausgestattete Spionagemaschine auch aufwändig gesicherte Daten aus dem Netz.

Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) dürfte es angesichts der neuesten Enthüllungen mulmig werden. Er selbst hatte vor Kurzem den Bürgern Virenschutz und Verschlüsselung ans Herz gelegt. Aber das nützt nichts, wenn die Profis vom amerikanischen NSA und vom britischen Geheimdienst GCHQ auf Datenjagd gehen.

Alles wird eingesammelt

Es heißt, wer nichts zu verbergen hat, muss auch nichts fürchten. Diese Haltung ist falsch. Fürchten muss man die Neigung, Informationen abzugreifen, sehr. Denn die Datensammler von heute verfügen erstens über technische Möglichkeiten, von denen frühere Schnüffler nur träumen konnten. Und zweitens sammeln sie hemmungs- und regellos alles, was einzusammeln ist. Eine große Errungenschaft bleibt dabei auf der Strecke: die Freiheit. Welche Möglichkeit en hat der einfache Bürger, sich diesem Spionage-Wahn zu entziehen? Gar keine. Das kommt einfach über ihn. Er fühlt sich nicht nur hilflos, er ist es auch.

Die Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern sind jedenfalls alarmiert: „Die staatliche Pflicht zum Schutz der Grundrechte erfordert es, sich nicht mit der gegenwärtigen Situation abzufinden.“ Welche Grundrechte stehen auf dem Spiel? Mindestens der Datenschutz und das Brief- und Postgeheimnis, im weiteren Sinne auch die Unverletzlichkeit der Wohnung und die Privatsphäre. Alles keine Erfindungen der Deutschen, sondern Grundlagen jeder freien Gesellschaft.

Ein Staat, der alles und jeden kontrollieren will, leidet unter Paranoia. Im Fall der USA mag dies verständlich sein nach dem 11. September 2001. Aber es gibt keinerlei Anzeichen für Heilung dieses Verfolgungswahns. Im Gegenteil. „Schon die bisherigen Erkenntnisse lassen den Schluss zu, dass die Aktivitäten des US-amerikanischen und des britischen Geheimdienstes auf eine globale und tendenziell unbegrenzte Überwachung der Internetkommunikation hinauslaufen“, urteilen die obersten deutschen Datenschützer.

Es macht einen Unterschied, ob Bürger freiwillig (und naiv) ihre Daten an Supermarktketten, soziale Netzwerke oder Marktforscher weitergeben oder ob Staaten die eigenen und andere Bürger mit immer perfekteren Werkzeugen ausspionieren und sogar Software-Firmen bestechen. Da geht viel Vertrauen verloren. Demokratie kommt aber ohne Vertrauen nicht weit. Staaten, die einfach alles wissen wollen, sind ein Alptraum.

Das Internet dient der Überwachung

„Das Internet war eigentlich eine Plattform für die Demokratie. Nun verwandelt es sich in eine Überwachungs-Plattform“, sagt Yannis Theocharis, Experte für Internet und Politik an der Uni Mannheim. Nur durch breiten Protest sei diese Entwicklung noch zu stoppen. „Aber die meisten haben noch gar nicht verstanden, was hier auf dem Spiel steht“, findet Theocharis.

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Das Internet ist eine geniale Erfindung. Diktatoren haben große Angst davor. Sie wollen nicht, dass Menschen unbequeme Informationen schnell und billig um die Welt schicken können. Sie tun alles, um das Internet zu kontrollieren. Sie fürchten um ihr Herrschaftswissen. Zu Recht.

Was aber, wenn Demokraten ähnlich empfinden? Wenn es auch ihnen nicht geheuer ist, dass Menschen Informationen schnell und billig um die Welt schicken? Wenn sie alles tun, um das Internet zu kontrollieren? Dann sind sie wohl nicht mehr weit weg von den Schurken dieser Welt.